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Korruption in Kärnten
Die Partei des toten Rechtsaußen Haider versinkt im kriminellen Morast. Die Vorwürfe reichen von Bestechlichkeit bis hin zu illegaler Parteienfinanzierung.
Der verstorbene Rechtspopulist Jörg Haider (Archivfoto von 2008)
Was waren das für Zeiten: Als ein braungebrannter Sonnenkönig im weissen Sonny-Crocket-Anzug feixend durch Kärnten raste, diesem kleinen, sonnengesegneten Fleckchen im äußersten Süden Österreichs, als er den Menschen strahlend die Hände schüttelte, im Wirtshaus, beim Fußball, beim Jägerstammtisch, und jedem suggerierte: Ich, der Jörgi, bin für euch da! Als er an die Bedürftigen weihevoll 100-Euro-Scheine austeilte. Als er die Politik zu einer Riesensause umfunktionierte und seinen Untertanen versprach: Mit mir seid ihr groß! Ganz groß!
In dieser zur Schau gestellten Gigantomanie schien nichts unmöglich. Da wurde in der 100.000-Einwohner-Stadt Klagenfurt für die EM 2008 ein Stadion gebaut, das so überdimensioniert ist, dass man heute nicht weiß, wie man die laufenden Kosten aufbringen soll. Da wurde eine Veranstaltungs-Bühne errichtet, die sich – wie vieles im Haider-Reich – später als Millionengrab für das Landesbudget erwies. Da wurde die Landesbank Hypo-Alpe-Adria trickreich in die Politik eingebunden – ein Selbstbedienungsladen für Politiker und Manager.
Und heute? Nicht nur, dass der Polit-Zampano nicht mehr unter den Lebenden weilt, weil er in einer 70er Zone mit mehr als 140 km/h in den Tod raste. Auch seine Wahlheimat, die heute mit dem Motto "Lust am Leben" um Touristen buhlt, vergeht oder besser: versinkt im kriminellen Morast.
Staatsbürgerschaft gegen Zahlung
Die große Haider-Show, die seine Erben bis zuletzt inszenierten – sie ist beendet. Und immer deutlicher wird, wie sehr die Freiheitlichen, die einst als "Saubermänner" den Aufstieg in der österreichischen Politik vollzogen, moralisch am Boden liegen. Kaum einer aus der politischen Führungsriege der Haider-Partei (heute die Freiheitlichen in Kärnten /FPK), der nicht im Visier der Justiz steht – oder nicht schon verurteilt ist. Die Vorwürfe reichen von Bestechlichkeit, Geldwäsche, Untreue bis hin zu illegaler Parteienfinanzierung.
Die bislang größte Bombe ließ jüngst der Villacher Steuerberater Dietrich Birnbacher platzen, der für seine Gutachtertätigkeit im Umfeld des Hypo-Alpe-Adria-Verkaufes an die Bayerische Landesbank wahnwitzige 6 Millionen Euro kassiert hatte. Im laufenden Untreueprozess gegen ihn gestand Birnbacher, dass es beim umstrittenen Deal geheime Absprachen gab. Seine Millionen sollten demnach zwischen ihm, der Haider-Partei und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) aufgeteilt werden. Zudem, so Birnbacher, hätten später zwei weitere Politiker aus der einstigen Entourage Haiders 500.000 Euro von ihm gefordert.
Mit dem Geständnis hat in Kärnten ein Köpferollen begonnen: ÖVP Chef Martinz nahm angesichts der brisanten Enthüllungen seinen Hut: "Es tut mir leid, dass ich mich auf das System Haider eingelassen habe." Ein bemerkenswertes Statement für den Vertreter einer Partei, die sich in Österreich gerne als Hüterin konservativer Werte geriert.
Und die Haider-Erben? Sie taumeln von einem Skandal zum nächsten: FPK-Chef Uwe Scheuch wurde bereits zweimal wegen Geschenkannahme verurteilt, noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. 2010 war ein Telefonat von Scheuch mit einem russischen Investor aufgeflogen, in dem der Freiheitliche als Gegenleistung für eine Staatsbürgerschaft des Russen entsprechende Zahlungen vorschlug. Doch damit nicht genug: Nach den Birnbacher-Enthüllungen wird gegen Scheuch wegen versuchter Geldwäsche ermittelt. Flugs erklärte der Haider-Nachfolger seinen Abschied aus der Politik. "Passt mir auf mein Kärnten auf", erklärte er pathetisch. Ein Zitat, das einst auch Haider verwendete. Nicht nur der: Auch Kärntens NSDAP-Gauleiter Friedrich Rainer wählte kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs eben diese Worte.
Die Haidersche "Buberlpartie"
Nach dem zurückgetretenen Uwe Scheuch soll es an der Parteispitze nun dessen Bruder Kurt richten – die Haidersche "Buberlpartie" reproduziert sich selbst. Von ihrem Erscheinungsbild her, urteilt Ex-Vize Kanzler Erhard Busek (ÖVP) über die beiden Landwirte, seien die Scheuchs "Nazi-Buam".
Auffallend: Der amtierende Landeshauptmann Gerhard Dörfler (ebenfalls ein Freiheitlicher) will von den dubiosen Deals im Ländle nichts gewusst haben. Statt sich als Regierungschef an die Spitze der Aufklärung zu stellen, verweigert er sich trotzig jeglicher Zusammenarbeit. Während die Grünen als maßgebliche Aufklärer des Korruptionssumpfes zusammen mit SPÖ und ÖVP auf sofortige Neuwahlen drängen, will Dörfler diese um jeden Preis verhindern. In der Wählergunst sind die Freiheitlichen rasant abgestürzt – auch Dörfler steht derzeit wegen einer umstrittenen Werbekampagne im Visier von Ermittlungen. Die Wähler jedenfalls scheinen genug zu haben von den nicht enden wollenden krummen Touren der Freiheitlichen: Nach Jahren an der Macht würde die Freiheitliche Partei in Kärnten derzeit hinter der SPÖ landen.
Regionalstolz und Minderwertigkeitskomplex
Es ist vor allem Dörflers Weigerung, Neuwahlen zuzustimmen, die belegt, wie nachhaltig die politische Kultur in Kärnten durch die Haiderlinge gelitten hat. Selbst einfachste demokratische Spielregeln scheinen am Fuße der Karawanken außer Kraft gesetzt. Indes, was soll man erwarten von Politikern, die wie Dörfler schon mal Negerwitze erzählen oder im Karneval an den Plastik-Brüsten einer Farbigen nuckeln? Auch Übervater Haider machte gern mit Unsäglichkeiten auf sich aufmerksam. Bei den Kärntnern kam dies lange an.
Doch warum gerade Kärnten, warum konnte sich das System Haider mit seiner Günstlingswirtschaft und seinen klandestinen Strukturen hier etablieren und so lange halten? Der Politologe Anton Pelinka umschreibt es so: "In Kärnten wurde die Aufarbeitung des Nationalsozialismus aufgeschoben. Man hat die Modernisierung verweigert." Haider und seine Entourage bedienten lange erfolgreich das "Wir"-Gefühl der Kärntner, die sich seit jeher als unterprivilegiert ansehen. "Die Mischung aus Regionalstolz und Minderwertigkeitskomplex" sei bezeichnend für die Region, urteilt der Politikforscher Peter Filzmaier. Vor allem der Reflex "Alle gegen uns" habe in Kärnten immer trefflich funktioniert.