Ein Artikel der Falter Verlagsgesellschaft m.b.H.
Die Spur des Geldes
Peter Weinzierl, Boss der Meinl-Bank, soll Millionen in die eigene Tasche gesteckt haben. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft wollen ihn verhaften, das Justizministerium bremst schon zum zweiten Mal. Warum? Einblicke in einen abenteuerlichen Wirtschaftskrimi aus Wien
von Florian Klenk | aus FALTER 50/14
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Es war eine große Runde von Staatsanwälten und Ministerialbeamten, die sich da am 16. Oktober im Justizministerium zu einer Dienstbesprechung eingefunden hatte. „Ein juristisches Hochamt mit Ave Maria“, wie ein hoher Staatsanwalt erklärte.
Die Teilnehmer: Christian Pilnacek, der mächtige Sektionschef der Weisungsabteilung. Er kam als Vertreter von ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter, im Schlepptau zwei Beamte seiner Weisungssektion.
Aus der Oberstaatsanwaltschaft kam Eva Marek, die neue, von Brandstetter eingesetzte Leiterin der Behörde. Sie wurde von zwei Oberstaatsanwälten begleitet.
Und dann waren da noch „die Wiener“: Maria-Luise Nittel, die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien. Sie rückte mit drei Anklägern an: Michael Radaszitcs, der die Wirtschaftsermittler anführt, Volkert Sackmann und Bernhard Löw. Die drei ermitteln gegen „Julius Meinl und andere“, es ist einer der größten Kriminalfälle der Republik. Es geht um mutmaßlichen Anlegerbetrug in Milliardenhöhe, es geht um den Ruf eines ganzen Bankhauses.
Die Sache, die diese Runde in einer guten Stunde regeln wollte, war ein kleiner Aspekt des Monsterverfahrens, aber politisch heikel. „Die Wiener“ wollten einen mächtigen Mann verhaften: Peter Weinzierl, die rechte Hand von Julius Meinl, Vorstands-chef der Meinl-Bank. Er soll, so der Verdacht, Anleger um 16 Millionen Euro geschädigt und etwa die Hälfte davon selbst eingesteckt haben. Das Justizressort war dagegen.
Weinzierl ist ein gefürchteter Mann, vor allem in der Justiz. Der Bonvivant lenkt nicht nur gerne mal seine Piper-Propellermaschine Seneca II zu seiner Yacht an die adriatische Küste, er dirigiert auch mediale Kampagnen gegen jene Staatsanwälte und Gutachter, die gegen die Meinl-Bank ermitteln. Sie wollen ihn nämlich sitzen sehen.
Weinzierl hat die besten PR-Berater und Anwälte im Sold und vermutlich auch ein paar Detektive. Sie verzögern das Strafverfahren gegen die Meinl-Bank mit Beschwerden, wo es nur geht. Und das macht die Ermittler, denen immer wieder Fehler unterlaufen, mürbe.
Manche warfen das Handtuch, manche stehen kurz davor. Staatsanwälte beklagen, dass viele wichtige Konten nicht und nicht entsiegelt werden, weil die Gerichte den Rechtsschutz (zu) sehr hochhalten würden.
Kürzlich übernahm Kommissar Zufall das Kommando: Ausgerechnet auf dem beschlagnahmten Speicherchip eines Druckers der Meinl-Bank fanden Ermittler versteckte Dateien, mit denen anfangs niemand etwas anzufangen wusste.
Datenforensiker werteten den Zahlenschatz für die Staatsanwaltschaft aus und staunten. Es waren brisante Spuren, sie führen zu Weinzierl – und zu jener Firma, der auch sein Propellerflugzeug gehört. Sie heißt Speedprop, eine Briefkastenfirma, benannt nach einem Propeller. Weinzierl will über dieses Vehikel nicht wirklich reden. Aber dazu später.
Der Bankmanager steckt in großer Not; wenn es nach der Polizei geht, sollte er in U-Haft. Weinzierl soll, so vermutet es zumindest die Soko Meinl in einem Zwischenbericht vom 5. September 2014, ahnungslose Anleger der Meinl European Land „in mehreren unternehmensrechtlich und wirtschaftlich komplexen Schritten“ übers Ohr gehaut haben, um sich und Dritte persönlich unrechtmäßig zu bereichern. Er soll Vorstände von Meinl European Land „über seine wahren Absichten getäuscht“ und diesen Wertpapiere nahezu angedreht haben. Unsinn, sagt Weinzierl.
Mitte November berichtete der Aufdecker Kid Möchel im Kurier zum ersten Mal über diese Vorwürfe. Weinzierl tat den Fall als „Schwachsinn“ ab und attackierte den ermittelnden „Bezirksinspektor“, dem er schon zuvor Amtsmissbrauch vorgeworfen hatte. Die ganze Geschichte sei doch nur einer längst zurückgezogenen Zivilklage geschädigter Anleger zu verdanken. Die Staatsanwaltschaft mache sich wieder einmal wichtig.
Die Medien waren verwirrt, der Fall rutschte schnell aus den Schlagzeilen. Zu schnell. Denn es ist, wenn es denn stimmt, ein atemberaubender Plot, den die Soko Meinl da aufgeschrieben hat – und vermutlich ist der Fall auch ein Politikum und die erste wirkliche Belastungsprobe für Justizminister Brandstetter. Der Fall zeigt, wie schwierig die Ermittlungen im Fall Meinl sind. Das Ministerium, so das anschwellende Murren der Staatsanwälte, behindere die Ankläger zunehmend: „Wir fragen uns langsam, warum.“
Die Spuren in diesem Krimi führen von Wien zu russischen „Beratern“ und ihren Briefkastenfirmen auf den Kanalinseln und dann wieder nach Moskau und ins türkische Bodrum, wo sich Weinzierl vor sechs Jahren zwei Luxusvillen gekauft hat.
Die Soko Meinl glaubt aufgrund der Datenspuren, dass er die Villen mit dem mutmaßlich ergaunerten Geld seiner Kundschaft bezahlte. Und sie wundern sich überhaupt, woher er so viel Geld hat: „Allein der Ankauf des Hauses bei Moskau im Jahr 2008 (um rund 2,6 Millionen Euro, Anm.) übersteigt das kumulierte Nettoeinkommen des Peter Weinzierl von 2002 bis 2007.“ Er hatte in den letzten zehn Jahren pro Jahr „nur“ rund 260.000 Euro netto verdient, wie die beschlagnahmte Gehaltsliste der Meinl-Bank zeigt. Zu wenig, um sich in kurzer Zeit gleich zwei große Villen zu kaufen, wie die Polizei glaubt. Unsinn, sagen Weinzierls Anwälte.
Weil ein großer Wirtschaftskrimi offenbar nicht ohne geheimnisvolle Frauen auskommt, vernehmen die Ermittler derzeit auch die ehemalige japanische Lebensgefährtin Weinzierls. Sie ist eine Schlüsselfigur in dem Fall. Vielleicht sogar bald Kronzeugin. Sie war bei Weinzierl privat gemeldet und hat in den neun Jahren, in denen sie in Wien lebte, laut Steuererklärung magere 25.678 Euro und 46 Cent versteuert.
Umso verwunderlicher war, was die Ermittler auf ihrem Konto entdeckten, für das Weinzierl zeichnungsberechtigt war: 1,4 Millionen Euro. Woher das Geld stammt? „Berufliche Tätigkeit“, erklärte sie. Weinzierl sagt, es seien Anteile aus den Geschäften mit der MEL. Und noch ein Konto mit 1,4 Millionen Euro aus MEL-Deals hat man gefunden. Das Geld gehört Weinzierl, das streitet er auch gar nicht ab.
Villen, reich gewordene Lebensgefährtinnen, ein Privatjet, eine Yacht: Da lebten ein Bankmanager und seine Nächste auf großem Fuße, während seine Anleger ihr Hab und Gut verloren hatten. Wie kann das sein? Und wurden dafür wenigstens Steuern bezahlt?
Am Ende ihres Berichts macht die Soko Meinl das nächste Fass auf: „Augenscheinlich scheint zu sein, dass relativ hohe Vermögenszuflüsse von MMag. Peter Weinzierl der österreichischen Finanzverwaltung nicht gemeldet worden wären.“ Er hat jetzt auch die Finanz am Hals. „Ich habe alles versteuert“, sagt er.
Die Soko Meinl fürchtet „angesichts dieser und vieler anderer neuer Tatsachen Flucht- und Verdunkelungsgefahr“. So heißt es in einem Festnahmeersuchen an die Staatsanwaltschaft: „Es wird darauf hingewiesen, dass MMag. Peter Weinzierl per 20.12.2012 seinen österreichischen Wohnsitz aufgegeben hat und nach Tschechien verzogen ist. Dass er zumindest in der Türkei und Russland über entsprechende Immobilien und somit über erhebliches Auslandsvermögen verfügt.“
Die Staatsanwaltschaft Wien wollte Haft. Doch es kam anders. Die Vorgesetzten in Oberstaatsanwaltschaft und Justizministerium bremsten bei der Dienstbesprechung am 16. Oktober. Oberstaatsanwaltschaft und Justizministerium nahmen den Haftantrag „nicht zur Kenntnis“, wie ein Sitzungsprotokoll lakonisch vermerkt. Eine Weisung wurde bis dato allerdings nicht erteilt. Sektionschef Pilnacek dachte offenbar, er habe alle Kollegen überzeugt. Die Judikatur des OGH, so argumentierten er und die neue Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft, Eva Marek, sei eben bei Haftgründen äußerst restriktiv. Weinzierl sei stets bei den Behörden erschienen, ihn festzusetzen sei übertrieben. Doch die Staatsanwälte fügten sich nicht. Die Wiener blieben in der Dienstbesprechung hartnäckig. Sie wollten sich nicht still unterordnen, sondern beharrten auf einer Weisung. Die werden sie nun bekommen.
Rechtswidrig ist all das nicht, aber auffällig ist, wie umsichtig die Rechte der Beschuldigten geschützt werden – zumindest, wenn man die Zurückhaltung mit der Härte in anderen prominenten Verfahren (Schlepper, Tierschützer, Josef S.) vergleicht.
Die Causa Meinl ist ein „clamoroser Fall“, ein berichtspflichtiger Akt. „Clamor“ bedeutet Lärm. Wenn Beschuldigte Lärm schlagen können, muss sich die Staatsanwaltschaft jeden Schritt von oben absegnen lassen. Und das kann eben dauern.
Das führt zu der Situation, dass der Justizminister über seine Sektionschefs in konkreten Ermittlungsverfahren Entscheidungen zu treffen hat, die den Wünschen der ermittelnden Staatsanwälte widersprechen. Oder es kann dazu führen, dass Anklageentwürfe einfach monatelang liegenbleiben, weil sie wieder und wieder geprüft werden.
Seit genau einem Jahr etwa liegt die Anklage gegen Julius Meinl, Peter Weinzierl und einige andere Banker in einem anderen Faktum des Monsterprozesses vor: in der sogenannten Dividendenaffäre. Die Meinl-Bank soll mehr als 200 Millionen Euro an eine Meinl-Briefkastenfirma ausgeschüttet haben, obwohl sie wusste, dass sie bald in große Nöte kommt.
Die Gläubiger der Bank seien dadurch geschädigt worden, so die Staatsanwaltschaft. Die Bank dementiert. „Wir warten, warten, warten und würden den Fall gerne einem unabhängigen Gericht vorlegen“, sagt ein Staatsanwalt, „wir fühlen uns langsam verarscht.“ Ein anderer sehr hoher Ankläger sagt: „Die haben da oben einfach den Laden nicht im Griff. Sie wollen alles wissen, aber sind nicht fähig, zügig zu arbeiten.“ Sektionschef Pilnacek sagt, zurzeit liege die Anklage beim unabhängigen Weisenrat. In dem rechtlich komplexen Fall seien einige Fehler gemacht worden.
Man kann diese Umsicht des BMJ als kritische Fachaufsicht anerkennen, als scharfe interne Kontrolle. Der Sektionschef persönlich wacht darüber, dass die Staatsanwälte die Beschuldigtenrechte einhalten und nicht später vom Obersten Gerichtshof zurückgepfiffen werden. Aber ist das wirklich seine Aufgabe? Wer mit Ministerialbeamten über die Causa Meinl redet, bekommt das Gefühl, dass sie ihren Anklägern nicht den Rücken stärken, sondern ihren Eifer zügeln wollen.
Man kann die Eingriffe aber auch als Misstrauen der Oberen gegen die Arbeit der Unteren sehen – das ist die Version, die immer mehr Ankläger ganz unten streuen. Sie beklagen sich nicht das erste Mal darüber, dass ihnen das Ministerium in die Parade fährt. Und sie rätseln, ob es wirklich nur mit den Beschuldigtenrechten zu tun hat.
Schon am frühen Abend des 30. November 2012 wollten die Staatsanwälte Markus Fussenegger und Bernhard Löw den Meinl-Bank-Chef Peter Weinzierl verhaften.
Polizisten der Soko Meinl meldeten der Justiz, von Weinzierl bei der Aufklärung der Dividendenaffäre regelrecht genarrt zu werden. Sie wollten Weinzierls Tablet beschlagnehmen, auf dem sie heikle Daten vermuteten. Zuerst beteuerte der Bankchef, kein eigenes Gerät zu besitzen. Doch die Polizisten kannten die genaue Inventarnummer des Geräts: „2813“. Nun erklärte Weinzierl, sein Gerät nicht zu finden.
Die Ermittler fürchteten spätestens jetzt, Weinzierl könnte wichtige Daten zerstören, und beantragten die U-Haft wegen Verdunkelungsgefahr. Um genau 20:15 Uhr wurde der zuständige Rechtsschutzrichter, Christian Gneist, kontaktiert. Er bewilligte die Verhaftung mit Unterschrift und Stempel.
Der Haftbefehl wurde aber nie vollstreckt. Nur 15 Minuten nach der richterlichen Bewilligung funkte die Chefin der Staatsanwaltschaft Wien das Vorhaben pflichtgemäß an ihren Vorgesetzten Werner Pleischl. Sie hielt es offenbar für problematisch und holte sich von ihrem Vorgesetzten Rückendeckung.
Nur fünf Minuten später, um 20:50 Uhr, wurde der Antrag auf U-Haft zurückgezogen, denn er käme einer verbotenen Beugehaft zur Erlangung von belastender Information gleich. Die Anklagebehörde verhinderte eine Verhaftung, die ein unabhängiger Richter bereits genehmigt hatte. Rechtlich ist auch das – zum Schutz der Beschuldigtenrechte – zulässig. Aber die damals ermittelnden Staatsanwälte Fussenegger und Löw ärgerten sich über die mangelnde Rückendeckung. Hinter den Kulissen tobte ein wilder Streit. Fussenegger legte einen Amtsvermerk an. Darin vermerkt er nicht nur das – ohne schriftliche Weisung erteilte – schnelle Njet von oben, sondern noch ein paar irritierende Details.
Auf dem Schreibtisch Weinzierls seien bei einer Razzia Fusseneggers die Dissertation und die Diplomarbeit von Meinl-Gerichtsgutachter Martin Geyer gefunden worden, weiters ein „Leitfaden und Fahrplan hinsichtlich der Medienarbeit im Zusammenhang mit den dann in der Zeitschrift News veröffentlichten Plagiatsvorwürfen gegenüber dem Sachverständigen“. Ein Plagiatsforscher erhob tatsächlich via News ein paar vage Vorwürfe gegen Geyer.
Die Meinl-Bank steuert also offenbar sehr persönliche Kampagnen gegen Gutachter und Staatsanwälte. Die Meinl-Bank, so der Verdacht seitens der Staatsanwaltschaft Wien, spannt sogar Detektive ein, um kritische Ermittler privat zu bespitzeln.
Und dann sind da noch ein paar ungeklärte Vorgänge strafrechtlicher Natur, die mit den Ermittlungen gegen die Meinl-Bank in Zusammenhang stehen könnten: Medienberichten zufolge soll ein Gutachter sogar am Telefon terrorisiert worden sein – von einer computerverzerrten Stimme.
Eine Richterin in dem Fall, so berichtet es ein gut informierter Justizbeamter, beklagte, dass sie in der Nacht am Telefon mit entsetzlichem Kindergeschrei („wie bei einem Missbrauch“) belästigt worden und auch beschattet worden sei – ein Vorwurf, den die Pressestelle nicht bestätigen will.
Ein anderer Gutachter, Thomas Havranek, entdeckte auf seinem Laptop nationalsozialistisches Propagandamaterial. Es wurde ihm über einen Hacker aus Bratislava auf den Rechner gespielt, wie Ermittler später herausfanden.
Der Falter hält ausdrücklich fest, dass es keinerlei Beweise dafür gibt, dass die Meinl-Bank hinter den Attacken steckt. Berichtenswert sind diese Vorkommnisse allemal.
Denn Staatsanwalt Markus Fussenegger, der als besonders hartnäckiger Ermittler galt, soll angesichts dieser Umstände seine privaten Räume mit Sicherheitsglas versehen und seinen privaten Laptop bei der Polizei abgegeben haben, aus Angst vor Hackerattacken. „Ihm wurde von Unbekannten mit langen Objektiven aufgelauert. Detektive ermittelten in seinem Freundeskreis und ließen ihn warnen, wie leicht man ihm Kinderpornos auf den Rechner spielen könnte, bestätigt Staatsanwaltssprecherin Nina Bussek.
Fusseneger bewarb sich später auf eine freie Stelle in Vorarlberg, wollte aber im Ausmaß von 20 Prozent seiner Arbeitszeit in Wien am Meinl-Fall weiterarbeiten. Die Polizisten schätzten seine harte Gangart. Die Vorgesetzten im Justizressort nicht. Nach dem Streit um den vereitelten Haftbefehl im Herbst 2012 zog das Justizressort Fussenegger vom Fall ab und ersetzte ihn durch einen jungen Kollegen. Laut Justizressort erfolgte alles einvernehmlich. Aus Fusseneggers Umfeld ist zu hören: „Er hat sich nicht aus dem Staub gemacht“.
Das ist die Angstkulisse, vor der sich nun der Kriminalfall des Peter Weinzierl abspielt.
Er beginnt im Jahr 2005 in Wien, vor der Wirtschaftskrise. Die Meinl-Bank hatte hunderte Millionen Euro für das Anlagevehikel Meinl European Land (MEL) eingesammelt. Zehntausende Anleger, die auf den guten Ruf Meinls vertrauten, steckten der MEL ihr Geld zu. Auch Omas und Opas lösten das Sparbuch auf und hofften auf schöne Renditen aus Ostgeschäften.
Die MEL gründet mit einer russischen Beratungsgesellschaft ein Joint Venture namens MD Time Holding, um in Russland Einkaufszentren zu bauen. Die MD Time pachtete und kaufte dafür Äcker, um sie zu entwickeln.
55 Prozent an der MD Time hielt die MEL, 45 Prozent gehörten den Russen, die ihr Know-how beisteuerten – und vielleicht auch wussten, an welche Entscheidungsträger „Provisionen“ zu zahlen sind.
Jetzt kommt Meinl-Bank-Chef Peter Weinzierl ins Spiel, als Mastermind des Projekts. Er war mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet, Medien feierten Meinls Aufbruch nach Osten – die Wirtschaftskrise stand noch bevor.
Weinzierl hatte noch eine Idee: Er ließ sogenannte Bezugsscheine für die Gewinne der MD Time austeilen, sogenannte „Participation Shares“. Nur noch 45 Prozent des Gewinnes sollte die MEL einstreifen, 45 Prozent die Russen – und zehn Prozent die Meinl-Bank-Filiale im karibischen Antigua. Die Meinl-Bank wollte mitschneiden bei den Einkaufszentren. Die Polizei glaubt, Weinzierl habe hier den ersten Schritt für einen Millionenbetrug gelegt.
Weinzierls zweiter Schritt: Er plante, die zehn Prozent der Gewinnscheine, die die Meinl-Bank um rund 800.000 Euro kaufte, wieder zu verkaufen – und zwar an die MEL.
Nun wird die Geschichte etwas kompliziert, denn Weinzierl ließ den Kaufpreis auf sehr spezielle Art ermitteln. Ein renommierter Gutachter schätzte die russischen Immobilien, die die MD Time hält, auf etwa 100 Millionen Euro. Aber ein Prokurist der Meinl-Bank setzte den Wert bei 200 Millionen an. Die Polizei glaubt heute, dass die Grundstücke viel zu hoch bewertet worden seien.
Weinzierl setzte den dritten Schritt: Er forderte von der MEL für die zehn Gewinnscheine, mit denen die Meinl-Bank auf zehn Prozent eines zukünftigen Gewinnes hoffen konnte, zehn Prozent des hochgejazzten Immobilienwerts, also 20 Millionen Euro.
Ein Betrug, wie die Polizei unterstellt. Die Immobilien seien erstens viel zu hoch bewertet worden, und die Gewinnscheine dürfen zweitens nicht mit Eigentumsanteilen an den Immobilien gleichgesetzt werden.
Die MEL zahlte dennoch, der verantwortliche Manager war ein Meinl-Vertrauter. Später wurde nachverhandelt. Die Meinl-Bank bekam für ihre Gewinnscheine „nur“ noch 16 Millionen Euro. Was angeblich niemand wusste: Weinzierl hatte jetzt auch privat einen guten Schnitt gemacht.
Wo floss das Geld nun hin? Die Hälfte der 16 Millionen ging an die Meinl-Bank im karibischen Antigua.
1,4 Millionen flossen an Weinzierl selbst. Den Rest hielt eine Briefkastenfirma namens Speedprop, der Weinzierls kleines Propellerflugzeug gehört. Von der Speedprop, so glauben die Polizisten anhand von Kontendaten und Mails, zog Weinzierl das Geld ab, um sich Privatvillen in Moskau und der Türkei zu kaufen, in Summe um rund 3,5 Millionen. Weitere 1,4 Millionen von der Speedprop bezog seine Exfreundin aus Japan.
Was sagt Peter Weinzierl zu den Vorwürfen? Er empfängt den Falter im Besprechungsraum der Meinl-Bank und übt sich in Transparenz. Er nimmt sich über zwei Stunden Zeit, beteuert seine Unschuld.
Nein, er hat die MEL nicht betrogen, Anleger und Manager seien korrekt informiert worden. Die Gewinnscheine seien auch nicht zu überhöhten Preisen verkauft worden, der Wert habe eben dem Marktwert entsprochen, wie spätere Aufkäufe von MD-Times-Anteilen durch die MEL-Nachfolgefirma Atrium zeigen würden. Und nein, er habe das Geld auch nicht in seine Tasche wandern lassen. Nur 1,4 Millionen Euro habe er persönlich verdient – eine Steuerhinterziehung liege nicht vor, da nur ein „Veräußerungsgewinn lukriert wurde, der nach der damaligen Gesetzeslage steuerfrei war“, so Weinzierl. Über seine privaten Geschäft habe er die Meinl-Bank „selbstverständlich informiert“, auch den Aufsichtsrat Julius Meinl.
Und der Rest des Geldes? Die Briefkastenfirma Speedprop gehöre nicht ihm, damit habe er nichts zu tun. Und die Villen in Moskau und der Türkei, die Speedprop bezahlte? Das Geld an die Ex-Freundin? Das sei nur ein „Darlehen“ gewesen, das habe er 2009 beglichen. Weinzierl ließ dem Falter entsprechende Urkunden zeigen, die das beweisen sollen. Den Namen des Darlehensgebers will Weinzierl nur den Behörden bekannt geben.
Ist Weinzierl noch vertrauenswürdig genug, um eine Bank zu führen? Ein Bericht der Finanzmarktaufsicht vom 22. September 2014 bezweifelt das. Sie droht der Meinl-Bank an, Peter Weinzierl die Zuverlässigkeit eines Bankvorstands abzusprechen.
Die Meinl-Bank, so hält die FMA fest, habe 50 Prozent der Betriebserträge aus dem Bereich „Treuhandgeschäfte“ erwirtschaftet, ein legales Modell, das aber wegen der Missbrauchsmöglichkeit zur Geldwäscherei als Hochrisikogeschäft einzustufen ist.
Katastrophal sei die interne Kontrolle der Bank. Sie bestehe „nur noch aus einer Mitarbeiterin“. Unter Weinzierls Ära habe die Bank „ihr Reputationsrisiko nahezu vollkommen realisiert“. 1500 Verfahren von Anlegern seien noch offen, die Gesamtklagssumme betrage über 82 Millionen Euro.
Seit dem Jahr 2010, so die FMA, habe die Bank einen Verlust von 60 Millionen Euro hingelegt. Sogar im Jahr 2013, als die Bank zarte Gewinne ankündigte, habe sie in Wahrheit 15 Millionen Verlust erwirtschaftet.
Die FMA folgert: „Die von der Meinl-Bank errechneten und gemeldeten Kennzahlen haben eigentlich gar keinen Bezug mehr zur wahren wirtschaftlichen Lage der Bank.“ Die FMA zweifelt daher an der „Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Unvoreingenommenheit“ der Bankvorstände, die die Bank wie im Blindflug „auf Talfahrt“ bringen.
Als Pilot wird Peter Weinzierl wissen, wie eine Talfahrt enden kann. Er bewertet seinen Kurs aber optimistisch: „Die Meinl-Bank hält als Selbstverständlichkeit fest, dass sowohl die finanzielle Gebarung des Unternehmens als auch die Integrität des Vorstands und das Management der Bank außer Frage stehen.“