Was ist der Schattenfinanzindex?
Der Schattenfinanzindex (Financial Secrecy Index, FSI) ist die weltweit größte Untersuchung von Schattenfinanzzentren. Er wird seit 2009 alle zwei Jahre vom Tax Justice Network erstellt.
Schattenfinanzzentren stellen die notwendige Infrastruktur bereit, mit der Personen und Unternehmen Steuergesetze und Transparenzregeln in einem anderen Gebiet unterlaufen können. Mit dem Index soll die Infrastruktur der Geheimhaltung (1) öffentlich gemacht und entsprechend ihrer Schädlichkeit gewichtet werden.
Wie setzt sich der FSI zusammen?
Der Index setzt sich aus zwei Elementen zusammen: dem sogenannten Geheimhaltungswert und dem Anteil des Gebietes/Landes am globalen Markt für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen.
Der Geheimhaltungswert wird aus qualitativen Daten erstellt. Als Datenbasis dafür dienen Gesetze, Regulierungen und internationale Abkommen. Schattenfinanzzentren mit höheren Werten sind für ausländische InvestorInnen und Anlagen intransparenter, geben weniger Informationen über ihre KundInnen preis und tauschen weniger Informationen mit Behörden anderer Länder aus. Außerdem verfügen sie über wenig effektive Mechanismen zur Bekämpfung von Geldwäsche.
Der Geheimhaltungswert wird gemäß dem Abschneiden des Landes in den 15 unten aufgelisteten Schattenfinanz-Indikatoren errechnet (2):
TRANSPARENZ VON WIRTSCHAFTLICHEM EIGENTUM
1. Bankgeheimnis: Gibt es ein gesetzlich verankertes Bankgeheimnis? Gibt es einen effektiven Zugang zu Bankinformationen?
2. Register für Trusts und Stiftungen: Gibt es ein öffentlich zugängliches Register für Trusts und Stiftungen, oder werden Trusts und Stiftungen unterbunden?
3. Register von FirmeneigentümerInnen: Sammeln und aktualisieren die zuständigen Behörden Informationen zu den wirtschaftlichen EigentümerInnen von Unternehmen?
SCHLÜSSELASPEKTE VON UNTERNEHMENSTRANSPARENZ
4. Öffentliches Register von FirmeneigentümerInnen: Sind Informationen zur Eigentümerschaft von Unternehmen kostenlos oder aber für weniger als 10 Euro öffentlich zugänglich?
5. Öffentliche Jahresabschlüsse: Sind die Jahresabschlüsse der Unternehmen kostenlos oder aber für weniger als 10 Euro öffentlich zugänglich?
6. Länderbezogene Berichtspflichten: Sind Unternehmen verpflichtet, länderbezogene Offenlegungspflichten einzuhalten?
EFFIZIENZ DER STEUER- UND FINANZREGULIERUNG
7. Bereitschaft zum Informationsaustausch: Sind im Land niedergelassene Zahlstellen (Finanzinstitute und Firmen) dazu verpflichtet, Informationen über (Zins-/Dividenden-)Zahlungen an nichtansässige Personen an die Finanzbehörden zu übermitteln?
8. Effizienz der Steuerverwaltung: Verwendet die Finanzbehörde Steuer-IDs, um Informationen effizient zu verarbeiten? Gibt es eigene Abteilungen für große SteuerzahlerInnen?
9. Steuerliches Anrechnungsverfahren: Werden Steuergutschriften für ausländische Steuerzahlungen bewilligt?
10. Schädliche Rechtskonstrukte: Sind sogenannte Protected Cell Companies und Trusts mit Fluchtklauseln zugelassen?
INTERNATIONALE STANDARDS UND KOOPERATION
11. Geldwäschebekämpfung: Hält das Land die Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering der OECD (FATF) zur Bekämpfung von Geldwäsche ein?
12. Automatischer Informationsaustausch: Beteiligt sich das Land vollständig am multilateralen automatischen Informationsaustausch im Rahmen des Common Reporting Standard?
13. Bilaterale Steuerauskunftsklauseln: Hat das Land mindestens 53 bilaterale Abkommen mit einer weit gefassten Klausel zum Informationsaustausch in allen Steuerfragen abgeschlossen, oder wurde die Konvention des Europäischen Rats/der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen ratifiziert?
14. Internationale Transparenzverpflichtungen: Hat das Land die fünf wichtigsten internationalen Verträge zu Finanztransparenz ratifiziert?
15. Internationale Rechtshilfe: Kooperiert das Land mit anderen Staaten bezüglich Geldwäsche und anderen strafrechtlich relevanten Fragen?
Mit quantitativen Daten werden die Ergebnisse des Geheimhaltungswerts gewichtet. Es wird dazu der Anteil des Gebietes/Landes am Markt für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen ermittelt. Damit wird sichtbar, wie groß der potentielle Schaden ist, der durch Regulierungslücken oder Geheimhaltungspraktiken entsteht (3).
Technische Veränderungen im Index gegenüber 2013
Der FSI 2015 deckt nun bereits 102 Länder und Gebiete ab. Dazu gehören die 82 bereits im FSI 2013 bewerteten und weitere zwanzig Länder, darunter die Top 40 der Anbieter für globale Finanzdienstleistungen (China, Finnland, Mexiko, Taiwan, Venezuela, Türkei) sowie alle OECD-Mitgliedstaaten (Tschechische Republik, Estland, Griechenland, Island, Polen, Slowakische Republik und Slowenien). Bolivien, Chile, Gambia, Mazedonien, Montenegro, Paraguay und Tansania wurden wegen diverser Geheimhaltungs- und
Steuerpraktiken bzw. Geldwäschevorfälle ebenfalls aufgenommen.
Obwohl 102 Länder für den Index 2015 untersucht wurden, wurden nur 92 in die Rangliste aufgenommen. Ursache dafür ist eine dürftige Datenlage für die übrigen zehn Länder, so dass eine vergleichende Bewertung nicht vertretbar erschien.
Die 15 qualitativen Schattenfinanz-Indikatoren (Key Financial Secrecy Indicators, KFSI) sind im Großen und Ganzen gegenüber 2013 gleich geblieben. Sie umfassen weiterhin vier Dimensionen: 1. die Kenntnis der wirklichen Begünstigten; 2. die Transparenz von Unternehmen; 3. die Effizienz von Steuer- und Finanzregulierung; sowie 4. internationale Standards und Kooperationen. Leichte Änderungen gab es bei KFSI 3, 4, 5, 10 und 12.
Der Indikator zum wirtschaftlichen Eigentum von Firmen (KFSI 3) wurde geändert um zu berücksichtigen, dass die jüngste EU-Antigeldwäscherichtlinie erstmals ein Register für wirtschaftliche EigentümerInnen einführt. Die Indikatoren vier und fünf über die Online-Veröffentlichung von FirmeneigentümerInnenn bzw. Jahresabschlüssen wurden an die Erfordernisse von open data angepasst. Demnach erhielten im FSI 2015 nur jene Länder die volle Transparenzbewertung, die die Daten kostenfrei zur Verfügung stellen. Fallen Kosten unter 10€ an, wurde nur der halbe Wert vergeben.
KFSI 10 über schädliche Rechtskonstrukte wurde erweitert, um den Unternehmenstyp der Serien-Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Series Limited Liability Company, LLC) als Spielart der sogenannten „Protected Cell Company“ aufzunehmen. Außerdem wurde KFSI 12 zum automatischen Informationsaustausch angepasst, da es nun den internationalen OECD-Standard zum automatischen Informationsaustausch gibt, der prinzipiell zumindest teilweise allen Ländern offensteht. Demnach ist nunmehr die Teilnahme an diesem System – und nicht mehr die an der EU-Zinsrichtlinie – für diesen Indikator maßgeblich.
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(1) Geheimhaltung ist etwas anderes als der legitime Anspruch auf Vertraulichkeit. Es geht nicht darum, dass Banken die Kontendetails ihrer Kunden der Öffentlichkeit zugänglich machen, genauso wenig wie ein Arzt seine Krankenakten ins Internet stellt. Geheimhaltung beginnt dort, wo es eine Weigerung gibt, Informationen den Behörden bereitzustellen, die ein Recht auf sie haben.
(2) Mehr unter: http://www.financialsecrecyindex.com/documents/FSI-Methodology.pdf
(3) Die dritte Potenz des Geheimhaltungswerts und die dritte Wurzel des Anteils am globalen Markt für Finanzdienstleistungen ergeben miteinander multipliziert den Wert des Schattenfinanzindex.