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Ein Artikel der Falter Verlagsgesellschaft m.b.H. 


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Zwei Millionen von der Novomatic

Ein neues Gerichtsgutachten dokumentiert, wie der Glücksspielkonzern Novomatic die Freunde Karl-Heinz Grassers mit zwei Millionen Euro entlohnte. Wo war die Leistung? Wohin floss das Geld? Das fragt sich auch der Gutachter

von Florian Klenk | aus FALTER 15/14 vom 08.04.2014

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Am dritten März traf bei der Staatsanwaltschaft ein lange erwarteter Papierziegel ein: das 612 Seiten starke Gutachten des Wirtschaftsprüfers Matthias Kopetzky. Es ist ein wichtiges Dokument, Karl-Heinz Grasser kennt es seit zwei Wochen. Er sagt, es entlaste ihn.
Kopetzky analysiert darin die Zuwendungen des Glücksspielgiganten Novomatic an Walter Meischberger und Peter Hochegger, die engsten Berater und Lobbyisten des Ex-Finanzministers. Die Novomatic, so stellt sich nun heraus, hat eine stattliche Summe locker gemacht, um Druck auf die Politik auszuüben: zwei Millionen Euro.
Kopetzkys Dossier leuchtet die Hinterbühne der Politik aus, wenn das Glücksspielwesen auf dem Spielplan steht. Er stützt sich auf vertrauliche Unterlagen, die bei Hausdurchsuchungen und Kontenöffnungen sichergestellt wurden: Neben den Konten der Grasser-Freunde konnte Kopetzky E-Mails und die Einvernahmeprotokolle von Spitzenmanagern des Glücksspielkonzerns Novomatic auswerten.
Noch etwas nahm die Justiz unter die Lupe: die privaten Konten von Karl-Heinz Grasser bei der Meinl-Bank und im Bankhaus Spängler. Immer wieder wurden dort fünfstellige Beträge bar einbezahlt – einmal kurz nachdem Meischberger sein Geld von der Novomatic erhielt.
„Reiner Zufall“, sagt dazu Grassers Anwalt Manfred Ainedter. Grasser habe damals nur seine Hochzeit vorbereitet, die habe Geld gekostet. Von Schmiergeld könne keine Rede sein.
Das Kopetzky-Gutachten dokumentiert, welche Summen die Novomatic für „Lobbying“ und „Strategieberatung“ durch den ehemaligen FPÖ-General und Grasser-Trauzeugen Walter Meischberger locker machte, um die Regierung zu einer Aufweichung des Glücksspielmonopols zu bewegen. Das Dossier zeigt auch, wie die Lobbyisten des Konzerns Druck auf Abgeordnete und Journalisten ausübten und Beamte des Finanzministeriums mit Argumenten versorgten.
In einem E-Mail eines Hochegger-Mitarbeiters ist einmal von „unseren Abgeordneten“ die Rede, die man weiter bearbeiten müsse. Ein anderer Lobbyist im Dienste Hocheggers war damit beschäftigt, für den späteren ÖVP-Finanzminister Wilhelm Molterer parlamentarische Anfragen der Grünen zu beantworten. Es gab „Inkognito-Erhebungen“ im Beamtenapparat, um herauszufinden, wer der Novomatic feindlich gesinnt war und den Casinos zuarbeitete. Die Lobbyisten entwarfen sogar Gesetzesvorschläge, die sie an Abgeordnete schickten.
Bei Hochegger wurde also alles penibel dokumentiert und „angemessen entlohnt“, wie das Gutachten festhält. Etwa die Hälfte der zwei Millionen blieben bei Hocheggers Firma. Energisches Lobbying – fette Bezahlung.
Rätselhafter ist da schon die Rolle von Walter „Wo war mei Leistung?“ Meischberger, der als Subunternehmer Hocheggers rund 800.000 Euro vom Novomatic-Etat kassierte. Der Gerichtsgutachter hält fest, Meischberger sei entlohnt worden, obwohl für seine Arbeit weder Leistungsnachweise noch schriftliche Verträge aufzufinden waren.
Das einzige Dokument, das die Ermittler in Sachen Lobbying auf seiner Festplatte fanden, war eine Seminararbeit von zwei deutschen Studentinnen. Das sei bei einem derart „hochbezahlten Lobbyisten“ doch etwas „erstaunlich“, bemerkt Kopetzky. Seine These: Meischberger sei vermutlich nur „der Meldungsgänger“ in Grassers Finanzministerium gewesen. Vielleicht habe er aber auch nur eine Lobbyleistung vorgetäuscht. Fest steht nur: Als Karl-Heinz Grasser als Finanzminister zurücktrat, fuhr auch Meischberger als Lobbyist seine Arbeit für die Novomatic zurück. Ohne Grasser war Meischberger offenbar wenig wert.
Interessant ist die Spur des von ihm verdienten Geldes. Wo landete es? Eines vorweg: Einen direkten Zahlungsfluss von Meischberger oder Hochegger an Grasser kann Kopetzky nicht nachweisen. Er entdeckt aber etwas anderes: enorme Barbehebungen auf Meischbergers Konten. Und enorme Bareinzahlungen auf Grassers Sparbüchern in einem auffälligen zeitlichen Zusammenhang.
Viele dieser Barbehebungen Meischbergers, so analysiert Gutachter Kopetzky, würden wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn machen. Kurz nachdem Meischberger zum Beispiel einmal 50.000 Euro von der Novomatic bekam, hob er genau diesen Betrag von einem Privatkonto ab, das bereits mit 117.000 Euro im Minus war. Er überwies diese 50.000 Euro sogleich auf ein Liechtensteiner Konto, das im Plus war.
Dieses Konto ist ein ganz besonderes Konto, nicht nur im Fall Novomatic, sondern auch in der Affäre Buwog. Es trägt die Nummer 400815 und gehört offiziell Walter Meischberger. Das Bundeskriminalamt geht aber davon aus, dass es wirtschaftlich Karl-Heinz Grasser „zuzurechnen“ ist.
Auf dem Konto 400815 lagerten auch 2,4 Millionen Euro an Buwog-Provisionen, die Meischberger vor der Finanz verstecken wollte. Was mit den Geldern geschah? Die Gerichtsgutachter dokumentieren auf diesem Konto „Barbehebungen“ in der Höhe von 612.000 Euro .
Wo dieses Geld hinfloss, kann nicht rekonstruiert werden. Fest steht nur, dass nach solchen Barbehebungen „zeitlich und betraglich korrelierend“ immer wieder Bareinzahlungen auf die Konten von Grasser stattfanden.
Dieser bestreitet die Vorwürfe, bestechlich zu sein, vehement. Er verstrickt sich aber immer wieder in Widersprüche – etwa wenn es um jene 500.000 Euro geht, die er von seiner Schwiegermutter im schweizerischen Zug erhalten haben will, um sie „gewinnbringend“ und bar bei der Meinl-Bank einzuzahlen, wie er beteuert. Grasser trug das Geld im Kuvert nach Wien und zahlte es abends am Bankschalter auf das Konto der Schweizer Briefkastenfirma Ferint ein – ohne einen Beleg zu verlangen.
Grasser hat zwei Probleme: Fiona Grassers Mutter bestreitet, dass das Geld ihr gehört. Und die Fahnder konnten anhand seiner Kreditkartenabrechnungen feststellen, dass der Minister zum fraglichen Zeitpunkt in Neapel war und nicht bei der Schweizer Verwandtschaft.
Irgendetwas ist also faul. War das Novomatic-Geld vielleicht in Wahrheit das Schwiegermuttergeld? Nein, sagen die Betroffenen. Kopetzky schließt es nicht aus. Er verweist darauf, dass Einzahlungen Grassers bei der Ferint in engem zeitlichem Konnex zu Barentnahmen Meischbergers bei dessen Konten stünden.
Wurde also der Minister für die Interessen des milliardenschweren Glücksspielkonzerns mobilisiert und vielleicht sogar bezahlt? Eines vorweg: Der Gutachter (und auch der Falter) unterstellt der Novomatic keinerlei strafbare Handlungen oder gar Bestechung. Kopetzky verfolgt lediglich die Spuren jener Millionen, die der Konzern an Hochegger und Meischberger überwies.
Kopetzky lässt den Krimi im Jahr 2006 beginnen. Er schildert – unter Zitierung einer Anzeige des Grünen Peter Pilz – eine Szene im Lokal VI des Nationalrats. Am 5. Juli 2006, Grasser war noch Finanzminister, kam dort der Finanzausschuss zusammen, um eine unbedeutende Änderung im Glücksspielgesetz durchzuwinken. Die Novelle sollte drei Tage später vom Nationalrat beschlossen werden.
In jener Nacht geschah aber etwas Seltsames. Ein Kabinettsmitarbeiter von Karl-Heinz Grasser tauchte im ÖVP-Klub auf und legte den Abgeordneten einen weiteren Abänderungsantrag zum Glücksspielgesetz in die Mappe. Die ÖVP möge auch diesen Antrag durchwinken, so der Wunsch.
Die Schwarzen kapierten gerade noch rechtzeitig, was Grassers Leute da ausheckten: eine Aufweichung des staatlichen Glücksspielmonopols. „Das war eine richtige Sauerei“, erinnert sich Michael Ikrath, der damals im Finanzausschuss saß, „die Grasser-Leute versuchten hier, in letzter Sekunde ein weitreichendes Gesetz durchzudrücken.“ Private Glücksspielunternehmen, etwa die Novomatic, sollten die Möglichkeit erhalten, vom Finanzministerium eine staatliche Lizenz für Glücksspiel zu bekommen. Genau das war das Ziel der Lobbyingaktivitäten. „Grasser hat damals vermutlich Druck gemacht“, erinnert sich Ikrath, „obwohl er heute bestreitet, etwas damit zu tun gehabt zu haben.“
Auch der damalige Finanzsprecher der ÖVP, Walter Stummvoll, zeigte sich in einem Verhör vor der Polizei am 23. Juni 2010 verärgert: „Es kommt ja grundsätzlich immer wieder vor, dass auch nach der Sitzung eines Ausschusses kleine Abänderungsanträge eingebracht werden. Aber in diesem konkreten Fall handelte es sich um keinen kleinen Antrag, sondern um einen weitreichenden Eingriff in das Glücksspielgesetz.“
Die Attacke auf das Glücksspielmonopol sei wohl „kabinettsintern“ geplant worden, also von Karl-Heinz Grassers engsten Vertrauten. Die Frage ist: Geschah dies aus politischer Überzeugung? Oder aus eigennützigen Interessen des Ministers?
Ein großer Teil des Novomatic-Etats von zwei Millionen Euro, etwa 800.000 Euro, wurde von Hochegger an seinen „Subunternehmer“ Meischberger weitergereicht, etwa für die strategische Planung eines Joint-Ventures zwischen der Telekom und der Novomatic.
Kopetzky grübelt: „Wir können nicht nachvollziehen, woher und wie Walter Meischberger die Kenntnis und Fähigkeit zur strategischen Führung solcher Projekte hatte bzw. solche durchführte, noch dazu unternehmensübergreifend in Kooperation mit der Hochegger Com.“ Man könne auch „faktisch ausschließen“, dass Meischberger wirklich als Lobbyist gearbeitet habe. Denn er habe „spurlos agiert“.
Wofür dann das viele Geld? Kopetzky sagt, es „verbleibt noch die Möglichkeit, dass Meischberger durch persönliche Beeinflussung in welcher Art auch immer agiert hat“. Die Würdigung dieser Verdachtsmomente obliege aber allein dem Gericht.
Meischberger bekam nicht nur als Subauftragnehmer von Hochegger Geld von der Novomatic, der Konzern überwies ihm auch direkt 120.000 Euro „für Beratungsleistungen, welche uns im Detail nicht näher nachvollziehbar sind“, wie Kopetzky es diskret formuliert.
Diese Rechnungen seien direkt vom Novomatic-Vorstandsvorsitzenden Franz Wohlfahrt abgenickt worden. Es habe „kein schriftlicher Vertrag“ existiert, obwohl dies „aufgrund des internen Kontrollsystems“ der Novomatic „unabdingbar“ gewesen wäre.
Noch etwas hält Kopetzky fest: Meischberger habe sogar dann „Beratungsleistungen“ verrechnet, wenn er auf seinem Feriendomizil in Ibiza urlaubte. Dort tuckerte er mit einer Yacht übers Mittelmeer, die er sich mit dem Buwog-Aufsichtsrat Ernst Plech teilte. Dieser Grasser-Intimus soll mindestens 2,5 Millionen Euro an „Provisionen“ bei der Privatisierung der Buwog kassiert haben.
Gutachter Kopetzky versuchte nun herauszufinden, ob Barabhebungen vom Meischberger-Konto mit der Nummer 400815 – das ist jenes Vaduzer Konto, auf dem in Wahrheit Grassers Anteile gebunkert sein sollen – mit Bareinzahlungen auf Grassers Privatkonten korrelieren.
Das Ergebnis ist erstaunlich: Am 9. Juni 2006 werden 15.000 Euro vom Konto Nr. 400815 abgehoben, fünf Tage später landen 4000 Euro auf dem privaten KHG-Konto bei der Meinl-Bank.
Am 25. Jänner 2008 erfolgt eine Barabhebung von 50.000 Euro. Fünf Tage später landen 47.000 Euro auf einem KHG-Konto bei der Spängler-Bank
Am 23. April 2007 ist eine Barabhebung von 40.000 Euro auf dem Konto Nr. 400815 dokumentiert. Die Bareinzahlung auf dem Grasser-Konto erfolgt vier Tage später in der Höhe von 24.000 Euro.
12. Juni 2007: Barabhebung 50.000 Euro. Zwei Tage später Bareinzahlung von 37.000 Euro auf Grassers Konto bei der Meinl-Bank.
19. Juli 2007: Barabhebung in Liechtenstein 30.000 Euro. Kurz darauf eine Bareinzahlung auf dem KHG-Konto bei der Meinl-Bank in der Höhe von 25.000 Euro.
31. Oktober 2008: Barabhebung 30.000 Euro. Eine Woche später erfolgt eine Bareinzahlung auf dem KHG-Konto bei der Spängler-Bank: 48.000 Euro.
8. Februar 2008: Barabhebung in Vaduz: 20.000 Euro. Bareinzahlung am 20. Februar bei Grassers Meinl-Konto: 11.000 Euro.
In Summe seien also 235.000 Euro an Barabhebungen vom verdächtigen Liechtensteiner Konto „zeitlich und betraglich korrelierend zu Bareinzahlungen auf Konten, welche Grasser zuzurechnen sind“, gefunden worden.
Noch etwas stellen die Finanz-Forensiker fest: Mit dem Geld auf dem mutmaßlichen Schmiergeldkonto Nr. 400815 seien auch „Wertpapierkäufe von Gesellschaften durchgeführt worden, bei welchen Grasser ein Naheverhältnis zu Führungskräften hatte oder wo er diverse Funktionen selbst ausübte“: Meinl International Power, Meinl European Land, C-Quadrat und Magna.
Und dann ist da noch die Sache mit der Briefkastenfirma namens Mandarin. Auf dem Konto dieser Scheinfirma hatte Grasser jenes Vermögen gebunkert, das er von seiner Schwiegermutter bekommen haben will – und das er durch ein Hypo-Investment mehrte.
Auch vom ominösen 400815-Konto in Liechtenstein wurden 500.000 Euro an Mandarin überwiesen – offiziell als Kredit von Meischberger. Die Fahnder glauben das nicht. Der (kurz nach Meischbergers Selbstanzeige zurückgezahlte) Kredit mache wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn. Er sei vermutlich eine Erfindung, um eine aufgeflogene Kickback-Zahlung in der Höhe von 500.000 Euro zu verschleiern. Meischberger und Grasser bestreiten das vehement. Sie trafen sich allerdings kurz nach dem Auffliegen der Buwog-Affäre mit dem Verwalter der Mandarin, Norbert Wicki, „um Verträge zu finden und die Dinge zu besprechen“, wie Meischberger in seinem Tagebuch notierte. Wicki wurde wegen Geldwäscherei angezeigt
Es sind viele kleine Puzzlesteinchen, die da gerade von den Ermittlern aneinandergefügt werden. Sie ergeben ein hässliches Bild: Nicht nur Baufirmen und Immobilienkonzerne, sondern auch der größte private Glücksspielkonzern der Republik versorgte die engsten Freunde und PR-Profis des damaligen Finanzministers mit rund zwei Millionen Euro.
Etwa 40 Prozent des Geldes landeten auf Konten von Walter Meischberger, der wie auch schon in den anderen Deals in diesem Kriminalfall keinerlei Leistungsnachweis erbringen kann. Meischberger hob schließlich enorme Summen bar ab, und zugleich füllten sich die Konten von Grasser mittels Bareinzahlungen.
Hat Karl-Heinz Grasser also von Meischberger Novomatic-Kickbacks kassiert? Oder ist alles nur ein Zufall, wie Grassers Anwalt versichert? Ein Verfahren wegen Untreue findet nicht statt, denn der Alleinaktionär der Novomatic, Johann Graf, fühlt sich nicht geschädigt. Bestechung?
Diese Frage darf nur ein Schöffengericht beantworten – sofern das Justizministerium eine Anklage gegen Grasser genehmigt. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ist für einen Indizienprozess jedenfalls gerüstet. Ein Staatsanwalt sagte schon vor Wochen: „Wir wollen den Fall Grasser vor ein Gericht tragen, wenn man uns lässt.“

Sunday, January 4, 2015 11:45:00 PM