Standpunkt 72: "Mehr privat weniger Staat" - wie ein Mantra implodiert
Ausgegliederte Betriebe sind flexibler. "Flexiblere Haushaltsführung, raschere Modernisierung in den ausgegliederten Bereichen, Entlastung des Bundeshaushalts, Reduktion von Planstellen." Das sind nur einige der Schlagworte, mit denen die Entscheidungsträger Ausgliederungen anpreisen.
Josef Moser hatte schon vor Jahren als damaliger Präsident des Österreichischen Rechnungshofes festgehalten: "Auf alle Fälle muss vermieden werden, dass im Fall einer Ausgliederung die Gewinne einseitig privatisiert werden, während die Verluste in eine Gesellschaft fließen."
Nichts desto trotz hat sich dieser Slogan "Mehr privat – weniger Staat" *) quasi zu einem Mantra entwickelt; und unhinterfragt wurde an allen Ecken und Enden weiter privatisiert.
Selbst vor dem Staat, der hoheitliche Aufgaben zu erbringen hat, die sich wenig bis gar nicht zur Ausgliederung eignen, wo verfassungsrechtliche Schranken greifen, glaubte man sich dem Mantra unterwerfen zu müssen. Dazu zählen etwa die innere und äußere Sicherheit, die Rechtssicherheit, ein funktionierendes Justizsystem oder soziale Leistungen, die nicht über Angebot und Nachfrage steuerbar sind. Auch der Verfassungsgerichtshof hat Grenzen von Ausgliederungen aufgezeigt.
Wir, die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft, frönen offenbar trotzdem und unvoreingenommen dem "Mehr privat – weniger Staat" und stilisieren diesen mit unserer lemminghaften Art zu einem Mantra hoch.
Es ist höchst an der Zeit über wohlklingende Slogans, dicke Überschriften, ans Bauchgefühl adressierte Botschaften, über tausendfache Likes und Klicks einfach mal in aller Ruhe nachzudenken, ob das alles so im Sinne von uns, der Mehrheit der Gesellschaft, gemacht wird und sich indirekt bis direkt auf uns auswirkt.
Es reichen bereits wenige simple Fragestellungen, wie beispielhaft schon die alten Römer fragten: "Cui bono - Wem nützt es?"
Oder die Feststellung: "Nicht alles was machbar ist, ist auch sinnvoll!"
Wenn wir, die mit gesundem Menschenverstand ausgestattete Mehrheit der Gesellschaft, hier geistig nicht nachbessern, werden wir morgen womöglich Fake-News als Wahrheiten aufnehmen. Dann, ja dann ist es buchstäblich schon 5 nach 12.
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*) Wolfgang Schüssel setzte sich seit den Anfängen seiner politischen Tätigkeit für Reformen im öffentlichen Dienst und Privatisierungen der verstaatlichten Industrie ein (Slogan: „Mehr privat – weniger Staat“).