Standpunkt 62: Was sich - auch - ändern muss
Seit 1998 ist das reale BIP pro Kopf in Österreich von 31.000 auf 38.000 Dollar gestiegen. Im Gegensatz dazu hat sich der Reallohn pro Kopf kaum bewegt und ist bei Menschen mit geringem Einkommen sogar gesunken. Die nationalökonomische Antwort kann daher nur lauten: Die Löhne müssen dringend steigen, genauso wie die Arbeitslosigkeit zurückgedrängt werden muss. Nur so kann die Unzufriedenheit jener immer größeren Bevölkerungsschicht abgebaut werden, deren Reallohn seit bald zwei Jahrzehnten ständig sinkt, die sich weniger als früher leisten kann, öfter von Altersarmut bedroht ist, mehr Angst um ihren Arbeitsplatz hat und aus allen diesen Gründen FPÖ wählt, auch wenn die keines dieser Probleme löste.
Dieser Umschwung wird nur möglich sein, wenn wieder mehr investiert wird. In dieser Zielsetzung sind sich Bundes- und Vizekanzler einig. Nur haben beide unterschiedliche Zugänge. Während Vize Mitterlehner weiterhin an Begünstigungen für Private eisern festhält, bevorzugt Bundeskanzler Christian Kern mehr Investitionen aus öffentlicher Hand. Dieser Weg ist wohl auch der richtige, denn die Bedingungen für Investitionen der Unternehmen wurden seit zwei Jahrzehnten ständig verbessert: Die Unternehmenssteuern waren noch nie so niedrig, die Unternehmensgewinne, voran der Großunternehmen, noch nie so hoch. Und dennoch sind ihre Investitionen derzeit so niedrig wie nie. Diese 'Investitionsklemme' ist durchaus logisch: In ein Unternehmen investiert man nur dann kräftig – erweitert seine Produktionsanlagen –, wenn man von steigender Nachfrage ausgehen kann. Das aber kann man nicht, wenn die Reallöhne sowohl in Österreich wie beim wichtigsten Handelspartner Deutschland seit zwei Jahrzehnten kaum gestiegen sind und der größte Teil Europas mit noch größeren Problemen kämpft. Deshalb sind nicht-deutsche Nationalökonomen überall auf der Welt der Meinung, dass in dieser Situation der Staat investieren muss, indem er Unternehmen Aufträge für Infrastrukturprojekte erteilt. Nationalökonomisch formuliert: Nur das kann allenfalls dazu führen, dass diese Unternehmen doch Erweiterungsinvestitionen tätigen.
Abgeleitet aus einem Artikel von Peter Michael Lingens im Profil. mehr ->