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Euro:Nachhilfe aus Russland für Herrn Strache
 

Franz Nauschnigg, 14. Jänner 2015, 17:41

http://derstandard.at/2000010408046/Euro-Nachhilfe-aus-Russland-fuer-Herrn-Strache

Währungskrisen rufen häufig Finanz- und Bankenkrisen hervor: Dann lahmt die Wirtschaft, steigen Schulden und die Arbeitslosenzahlen. Europa hat darunter lange gelitten - so lange, bis der Euro eingeführt wurde. Das sollten seine Gegner bedenken.

Die russische Währung bleibt auch nach einer starken Leitzinserhöhung von 10,5 auf 17 Prozent massiv unter Druck. Insgesamt ist der Rubel auf ein Rekordtief gegenüber dem Dollar und Euro gefallen, er hat 2014 um 50 Prozent gegenüber dem Euro und 55 Prozent gegenüber dem Dollar abgewertet.

Viele haben die Befürchtung, dass zur Stabilisierung der Lage und zur Eindämmung der Kapitalflucht Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden müssen. Die hohen Zinsen werden die sowieso schon schlechte Wirtschaftsentwicklung in Russland noch mehr bremsen. Auch die russische Börse ist eingebrochen.

Finanzkrisen werden mit dem Zusammenbruch des Bretton-Wood-Systems, mit seinem stark regulierten Finanzsystem, wieder häufiger, wobei Währungskrisen die häufigsten Finanzkrisen sind. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat festgestellt, dass es von 1970 bis 2011 weltweit 218 Währungskrisen mit dramatischer Abwertung, meist mit spekulativen Attacken auf den Wechselkurs verbunden, gab. Dazu 147 Bankenkrisen (eine systemische Krise ist nicht nur der Zusammenbruch einzelner Banken, sondern eine Beeinträchtigung des gesamten Bankensystems) und 66 Staatsschuldenkrisen (ein Staat kann seine Schulden nicht mehr finanzieren).

Schwere Verluste

Diese Krisen führten zu schweren wirtschaftlichen Verlusten, insbesondere Wachstumsverluste, Anstieg der Staatsschulden und Arbeitslosigkeit. In der aktuellen Diskussion wird sehr oft vergessen, dass es auch in der EU vom Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems 1971 bis zur Schaffung des Euro 1999 immer wieder Probleme mit Währungskrisen und Wechselkursschwankungen gab.

Am dramatischsten waren die Währungskrisen im Europäischen Währungssystem (EWS) von 1992 bis 1995. In der EWS-Krise wurde gegen fast alle Währungen spekuliert. Es begann mit dem britischen Pfund, der trotz Interventionen und Zinserhöhung auf 15 Prozent abwerten und das EWS verlassen musste. Damals wurden etwa auch Frankreich und Österreich mit spekulativen Attacken auf ihre Währungen angegriffen. Wie die Spekulation vom August 1993 gegen den Schilling zeigte, sind auch gute Fundamentaldaten, hohe Glaubwürdigkeit, sowie hohe Währungsreserven keine Garantie, dass nicht gegen eine Währung spekuliert wird.

Die Währungsturbulenzen im EWS haben wesentlich zur schlechten Wirtschaftsentwicklung und damit hohen Arbeitslosigkeit in Europa in den 1990er-Jahren beigetragen. Sie erhöhten die wirtschaftliche Unsicherheit, und viele Länder mussten zur Verteidigung ihrer Währungen die Zinsen hochhalten.

Diese Krisen wurden durch die Einführung des Euro gelöst. Er bietet für die Länder des Euroraums Schutz vor Wechselkursschwankungen und Währungskrisen. Die EU-Länder außerhalb des Euro oder EWR-Länder waren jedoch weiterhin mit spekulativen Attacken auf ihre Währungen, Wechselkursschwankungen und Währungskrisen konfrontiert. Der Euro schützt jedoch nicht vor Banken- (hier soll die EU-Bankenunion helfen) und Staatsschuldenkrisen, gegen die der gestärkte EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt vorbeugen soll.

Mit dem Euro entfallen teure Maßnahmen zur Absicherung von Wechselkursrisiken, und der Binnenhandel im Euroraum kann sich ungestört von Devisenmarktturbulenzen und Wechselkursschwankungen entwickeln. Der Großteil des Handels Österreichs erfolgt innerhalb des gemeinsamen Währungsraums. Der Euro ist damit einer Tobin-Steuer, die seinerzeit vom Ökonomen James Tobin vorgeschlagen wurde, um Wechselkursschwankungen besser beherrschbar zu machen, in jeder Hinsicht überlegen.

Der Euro hat sich als stabile internationale Währung etabliert und ist nach dem Dollar die zweite Weltwährung. Er wird zunehmend als Reserve-, Anlage- und Transaktionswährung verwendet und spielt in Europa eine zentrale Rolle als stabile Ankerwährung, an die viele andere Währungen gebunden sind.

Der Euroraum wächst und umfasst seit dem Beitritt Litauens am 1. 1. 2015 19 Länder mit mehr als 300 Millionen Menschen. Diese profitieren von einer weltweit verbreiteten, international akzeptierten und stabilen Währung. Der Euro stärkt auch den Einfluss Europas weltweit. Die Krise im Euroraum ist daher nicht, wie verschiedentlich dargestellt, eine Krise des Euro, sondern es sind einige Mitgliedsländer von Banken- und Staatsschuldenkrisen betroffen

Die Vorschläge einiger rechtspopulistischer Parteien wie der FPÖ  in Österreich oder dem Front National in Frankreich bezüglich des Austritts aus dem Euro, der Rückkehr zur früheren nationalen Währung oder der Teilung in Nord- und Süd-Euro sind wirtschaftspolitisch nicht durchdacht und gefährlich. Der Spekulation gegen einzelne Währungen wie im EWS wäre damit Tür und Tor geöffnet, und es könnte wieder zu Währungskrisen kommen.

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache sollte sich von seinen russischen Freunden die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Währungskrise erklären lassen und dann seine währungspolitische Geisterfahrt einstellen. Der Schaden, den er mit seinen währungspolitischen Ambitionen verursachen könnte, wäre größer als der, den sein Vorgänger Jörg Haider mit der Hypo angerichtet hat. (Franz Nauschnigg, DER STANDARD, 15.1.2015)

Franz Nauschnigg leitet die Abteilung für Europäische und Internationale Finanzangelegenheiten bei der OeNB