Einladung zur 12 respektive 60 Stunden Gieß-Challenge
Der Betriebsratsvorsitzende eines Gießereibetriebes in Tirol lädt zu einer Challenge ein.
Hall in Tirol, am 25.6.2018
Ergeht an:
IV Präsident Georg Kapsch, WK Präsident Harald Mahrer, WK Präsident Tirol Jürgen Bodenseer, FMTI Obmann Georg Knill, BK Sebastian Kurz, BK Vize HC Strache.
Sehr geehrte Herren,
werte Kollegen!
Mein Name ist Armin Eberl, ich bin Betriebsratsvorsitzender eines gemeinsamen Betriebsrates in einem Gießereibetrieb in Tirol. Die derzeitige Diskussion zum 12-Stunden-tag/60-Stunden-Woche beschäftigte unser Gremium auch in den letzten Betriebsratssitzungen. Wie schon erwähnt, sind wir ein Gießereibetrieb mit Hitze- und Schwerarbeitsplätzen. In den Produktionsbereichen haben wir in der Firma keinen 60-jährigen Mitarbeiter. Dies mag wohl den Arbeitsbedingungen, welche eine Gießerei mitbringt, geschuldet sein.
Keiner meiner Betriebsratskolleg_innen kann sich vorstellen, in der Gießerei 12 Stunden am Tag und dies über mehrere Tage zu arbeiten!
So machte ich den Vorschlag:
Warum laden wir nicht jene zu einer sogenannten „12 / 60 Std. Gießchallenge“ ein, die uns dies gesetzlich verordnen wollen. Gießchallenge heißt: Die Eingeladenen treten gegen mich, den Betriebsratsvorsitzenden, in unserer Gießerei bei den Schleudermaschinen, entweder am Gießtümpel oder an der Gießrinne an. 4 Tage jeweils 12 Stunden, Beginn von 06:00 Uhr bis 12:00 Uhr, dann eine ½ Std. Mittagspause und um 12:30 geht’s weiter bis 18:30 Uhr. Anschließend könnten wir noch unsere Freizeit, entweder beim Tennis, Fußball oder im Verein genießen. Schlafen gehen sollte man zeitig, weil am nächsten Tag um 05:00 Uhr Tagwache ist.
Einladungen würden bekommen:
IV Präsident Georg Kapsch, WK Präsident Harald Mahrer, WK Präsident Tirol Jürgen Bodenseer, FMTI Obmann Georg Knill, BK Sebastian Kurz, BK Vize HC Strache.
Abklärung mit meinem Eigentümer würde ich übernehmen. Da wir in unserer Firma ein sozialpartnerschaftliches Miteinander auf Augenhöhe praktizieren (was ja heute nicht mehr so selbstverständlich ist), bin ich fast sicher, dass er so einer Challenge sportlich positiv gegenübersteht.
Zur Unterbringung im Zweibettzimmer während dieser Arbeitswoche, können wir eine nette Pension in unmittelbarer Nähe unserer Firma anbieten. Die Kosten dafür könnten von der PRO-GE und der AK Tirol übernommen werden (das würde ich abklären). Ihnen als Teilnehmer würden somit keine Aufwendungen entstehen. Kosten der Anreise 2. Klasse ÖBB wird vom Betriebsrat übernommen. WK Präsident Bodenseer könnte selber anreisen, zumal er ja in Tirol wohnhaft ist (entweder mit Auto – aber bitte nicht mit dem Ferrari, das macht kein gutes Bild bei meinen Arbeitern - oder mit Linienbus, der bleibt vor der Firma stehen).
Arbeitsschutzkleidung, Helm, Gießerstiefel usw. wird vom Betriebsrat gestellt, die Kosten werden auch von uns übernommen.
Einschulung am Gießtümpel und an der Gießrinne:
Keine spezielle Ausbildung nötig, Anlernphase ca. 2 Stunden, wird von einem türkischen Kollegen übernommen. Man muss also keinen Hochschulabschluss haben (den haben ja andere auch nicht), man sollte aber nicht unbedingt Angst vor flüssigem Gusseisen haben.
Wie bei einer Challenge üblich gibt es auch etwas zu gewinnen. Für jede Stunde die ein Teilnehmer vor Schichtende abbricht, sind 100 € fällig (natürlich nicht nach dem Kumulationsprinzip, sondern für jeden Teilnehmer separat). Die Endsumme würde dann einem sozialen Zweck zugeführt (gerne auch an Unternehmer, die in Schieflage geraten sind).
Wie bei einer Challenge üblich, könnten Qualitätsmedien wie z. B. Tiroler Tageszeitung, Kurier, Standard, Presse usw. darüber berichten, gerne auch ORF und Puls 4.
Meine Kollegen meinten, ob ich irgendwo „angrennt“ wäre, oder ob ich „schwere Medikamente“ nehme. Da wird niemand kommen war die Antwort (weitere Ausdrücke will ich nicht wiedergeben).
Ich musste meinen Kolleg_innen aber vehement erwidern:
„Das sind alles Menschen, Industriekapitäne und Unternehmer, die mit beiden Beinen im Wirtschaftsleben stehen, gleich einer deutschen Eiche verwurzelt im Wiener Asphalt! Kein Sturm wirft sie um, keine Herausforderung ist ihnen zu groß!
Ich bin mir sicher, dass die Herren der Industrie und Wirtschaft diese Herausforderung annehmen werden! Auch für Kanzler und Vizekanzler wird es kein „Kneifen“ geben. Sie stellen sich jedem entgegen und schon gar einem Betriebsrat.“ Ich habe Sie alle also mit Inbrunst gegen alle negativen Meinungen verteidigt.
Als Zeitpunkt für diese Challenge würde sich die vierte Augustwoche anbieten, wir sind aber über jeden Terminvorschlag offen, es sollte jedoch wegen der Temperaturen im Sommer sein. Auch müssen nicht alle zur gleichen Zeit kommen, ich trete auch gerne gegen jeden einzeln an. Man könnte dann endlich unseren Gießereimitarbeitern zeigen, dass ein 12 Stundentag nichts ist, was man nicht locker durchhalten kann (manch einer in der Gießerei macht ja nach 8 Stunden schon fast schlapp). Hitze- und Elektrolytgetränke werden selbstverständlich zur Verfügung gestellt. Bei Raumtemperaturen von bis zu 45 °C und Arbeitsplatztemperaturen von etwa 60 °C soll man viel trinken.
Ich ersuche Sie um ihre geschätzte baldige Antwort. Diese würde ich bei der kommenden Betriebsversammlung zu diesem Thema allen Mitarbeiter_innen überbringen. Ich bin sicher, Sie werden mich nicht im Stich lassen, zumal es auch um eine Wette und um zwei Kasten Bier (ist bei Gießern üblich) geht.
Eine Bitte hätte ich noch an die Politik:
Bitte Fr. Bundesminister Hartinger-Klein den Begriff Freiwilligkeit erklären. Denn die Freiwilligkeit des Einzelnen endet immer mit dem Diktat des Stärkeren. Und dies ist zu 100 % der Vorgesetzte, Meister, Abteilungsleiter, Geschäftsführer, Vorstand und Eigentümer.
Vielleicht noch ein kleines Stimmungsbild (biblischer Vergleich), wie sich Mitarbeiter momentan in dieser Diskussion fühlen und welche Wertigkeit sie haben (lt. Facebook / Twitter von Ing. Gerald Kohl / Wiener Unternehmer und Mitglied des ÖVP-Wirtschaftsbundes zum 12 Stunden Tag – Aussage wurde verteilt und kam gar nicht gut an):
Ein kleiner Vogel - ein Spatz - sitzt am untersten Ast einer Fichte. Über ihm eine Amsel. Über der Amsel eine Elster. Über der Elster ein Uhu. Über dem Uhu ein Falke. Über dem Falken ein Geier. Und ganz an der Spitze sitzt der König der Lüfte - ein Adler. Und weil ja jeder dieser Vögel Nahrung zu sich nimmt, gibt er am Ende eines „laaangen“ Tages wieder etwas ab, was nach unten fällt. Und jetzt kann sich jeder ausdenken, wie sich der Spatz am untersten Ast am Ende des „laaangen“ Tages fühlt. So fühlen sich momentan viele hart arbeitende Mitarbeiter bei uns in der Gießerei, in vielen anderen Industriebetrieben, am Bau und im Tourismus.
Wir freuen uns auf Ihre positive, baldige Antwort und verbleiben mit
„Glück Auf“
Armin Eberl – Betriebsratsvorsitzender