Das Haider-Universum samt dunkler Begleiter


Das Haider-Universum samt dunkler Begleiter
 

Das Haider-Universum samt dunkler Begleiter expandierte bis zum Herbst 2008 fast unbehindert. Die Pleite der US-Bank Lehman Brothers und Haiders Unfall­tod sprengten dann zusammen die Hypo-Welt.

von Ashwien Sankholkar | aus FORMAT Ausgabe 15/2015

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Im Zuge des Hypo-U-Ausschuss werden im Parlament nun die Hintergründe für den Kollaps der Hypo Alpe-Adria beleuchtet. Aktuell werden die Kärntner Landes­haftungen unter­sucht. 2004 wurden diese mit einem ein­stimmigen Land­tags­beschluss stark aus­ge­weitet. Im Zentrum: Der damalige Landes­haupt­mann Jörg Haider. Wie Haider es schaffte, die Hypo-Auf­sichts­behörden jahre­lang auf Distanz zu halten.

Beim Hypo-Untersuchungsausschuss im Wiener Parlament wird das nächste Kapitel im Hypo-Desaster angegangen. Mit Beginn der ersten Sitzung im Juni werden die Haftungen des Bundes­lands Kärnten unter­sucht. Besonders delikat ist dabei ein ein­stimmiger Land­tags­beschluss aus dem Jahr 2004, mit dem die Haftungen des Bundes­lands für die Hypo stark ausgeweitet wurden. Die ex­plo­dierenden Landes­haftungen für die Hypo wurden von der Finanz­markt­auf­sicht (FMA) und der National­bank, dem Finanz­ministerium und dem Rechnungs­hof und der National­rat in Wien still­schweigend ak­zeptiert.

Auch die hazardartige Hypo-Expansion unter der Ägide der Bayerischen Landesbank kümmerte sie wenig. Selbst der Verdacht der Untreue und der Bilanz­fälschung, der sich später bewahr­heiten sollte, war den Auf­sichts­behörden relativ egal. Doch warum? Die Ant­wort ist einfach und kompliziert zu­gleich: Wegen Jörg Haider.

An die Urknalltheorie, dass der Hypo-Kollaps plötzlich und überraschend passierte, glaubt keiner mehr. Das Haider-Universum samt dunkler Begleiter ex­pan­dierte bis zum Herbst 2008 fast un­be­hindert. Im September 2008 war die Pleite der US-Invest­ment­bank Lehman Brothers und im Oktober Haiders Unfall­tod. Beides zu­sammen sprengte die Hypo-Welt. "In Kärnten ist die Sonne vom Himmel ge­fallen“, so das Lamento von Gerhard Dörfler, der Haider als Landes­haupt­mann nach­folgte. Übrig blieb ein schwarzes Loch, das Haiders Tra­banten in den Ab­grund zog: Karl-Heinz Grasser (KHG) und Walter Meisch­berger mit der Buwog-Affäre, Hubert Gorbach und Gernot Rumpold im Telekom-Skandal sowie Wolfgang Kulterer, Tilo Berlin und viele andere in der Causa Hypo.

Unter Haider funktionierte das Aufsichtssystem perfekt - zumindest aus seiner Sicht. Ein enges Netz aus Unterstützern ließ ihn bei der Hypo in Ruhe. Der Rechnung­shof unter Franz Fiedler und Josef Moser ge­hörte ebenso dazu wie das Finanz­ministerium unter KHG und die FMA. Potenzielle Kri­tiker hielt er mit ge­zielten An­griffen in Schach, allen voran die National­bank, wo die ge­fürchteten Banken­prüfer saßen. Am Höhe­punkt haftete das Land für Hypo-Schulden von 24,7 Milliarden Euro.

Warnrufe aus dem Rechnungshof

Der Rechnungshof (RH) hatte zwar immer wieder zärtlich auf das Risiko hin­ge­wiesen, das von den Landes­haftungen aus­geht, womit Fiedler und Moser ihre gesetz­lichen Ver­pflichtungen er­füllten. Doch etwas mehr Animo hätte nicht ge­schadet. Wo­möglich war die Ver­pflichtung gegen­über ihrem Förderer größer: Haider hatte beide in ihr Amt ge­bracht. Fiedler wurde 1992 mit Haiders Hilfe RH-Prä­sident und war 2004 als Bundes­präsident­schafts­kandidat im Ge­spräch. Gernot Rumpold, Haiders "Mann fürs Grobe“, sollte den Fiedler-Wahl­kampf organi­sieren. Haider selbst war be­reit, den "persönlichen Freund“ zu unter­stützen. Fiedler zog aber seine Be­werbung zurück, weil sich Financiers nicht outen wollten.

Auch Josef Moser, der Fiedler nachfolgte, saß im Büro des Kärnter Landes­haupt­manns und leitete den FPÖ-Klub im Parla­ment. "JoMo“, wie er von Haider ge­nannt wurde, gilt als in­te­ger und kam nur ein­mal ins Gerede: Als FPÖ-Klub­direktor soll Moser vom (ver­storbenen) Industriellen Herbert Turnauer ein Kuvert ent­gegen­ge­nommen haben. Dass Geld für die FPÖ drinnen war, will Moser nicht ge­wusst haben. Eine Beteiligung an illegaler Parteien­finanzierung hat er zurück­gewiesen.

Zur jüngsten Kritik, dass der RH bei der Hypo lange tatenlos zusah, stellt Moser fest: "Bei der Hypo Alpe-Adria warnte der Rechnungs­hof bereits 2003 vor den Risiken. Eine aufgrund des Risikopotenzials ins Auge gefasste Follow-Up-Über­prüfung blieb dem Rechnungs­hof ver­wehrt.“ Bei der einen Warnung blieb es. Das wahre Problem laut Moser: Die Bank­aufseher in FMA und National­bank haben "zu lange praktisch neben­ein­anderher ge­arbeitet“ und das Finanz­ministerium nur "zu­geschaut“.

Sie alle kannten das milliardenschwere Haftungsrisiko und die dünne Eigen­kapital­decke der Bank. Doch um einen Kon­flikt mit Haider zu ver­meiden, reagierten sie nicht scharf genug. Ganz im Gegen­teil: Sie suchten Haiders Gunst. Grasser be­stellte seine Kabinetts­mit­arbeiterin Sabine Kanduth-Kristen zur Hypo-Staats­kommissärin. Kanduth-Kristen war mit der Macht aus­ge­stattet, frag­würdige Hypo-Be­schlüsse zu blockieren. Zumindest in der Theorie. In der Praxis ließ sie Hypo-Boss Kulterer un­kontrolliert arbeiten. Kanduth-Kristen ist die erste Zeugin im Hypo-U-Aus­schuss. Die Professorin für Betriebliches Finanz- und Steuer­wesen und Nach­folgerin von Grassers Doktor­vater Herbert Kofler an der Alpe-Adria-Uni­versität gab an, nichts Besorgnis­erregendes in der Hypo vor­ge­funden zu haben. Haider war das mehr als recht. Denn in der Bank ging es damals rund zu: Swap-Ver­luste, Geld­mangel und die ersten faulen Kredite wurden schlagend.

2006: Die Grasser-Lösung

Die Hypo geriet 2006 erstmals in Schieflage. Grasser arrangierte eine Lösung. Ende 2004 hatte er seinen loyalen Kabinett­chef Heinrich Trau­müller zum Vor­stand der FMA gekürt. Zusammen mit FMA-Vor­stands­kollegen Kurt Pribil ließ er Hypo-Boss Wolfgang Kulterer einiges durch­gehen: Frag­würdige Vor­zugs­aktien-Deals zur Auf­stockung der Eigen­kapital­decke wurden ab­genickt. Auch dem Ein­stieg der dubiosen Inv­estoren­gruppe von Tilo Berlin wurde nicht widers­prochen. Brisant: Die Vor­zugs­aktiendeals, die von der FMA als ein­wand­frei ab­ge­stempelt wurden, brachten Kulterer und Co-Vor­stand Günther Striedinger Jahre später hinter Gitter. Das Gericht er­kannte straf­bares Ver­halten.

Glaubt man Willibald Berner, Ex-Kabinettschef im Infrastrukturministerium, war Grassers Unter­stützung nicht un­eigen­nützig. Mit Freund "Meischi“ und Ernst Plech wollte er an Bundesimmobilien-Deals (Buwog) parti­zipieren, wie die Staats­anwalt­schaft ver­mutet. Indem er Haider unter­stützte, wollte er Quer­schüssen aus Kärnten vor­beugen. Dass KHG - ver­deckt hinter der Brief­kasten­firma Ferint - Teil der Berlin-Investoren­gruppe war, rundet das Bild ab.

Mittlerweile ist bekannt, dass viele Haider-Amigos durch die Hypo reich wurden: Gernot Rumpold kassierte Pro­visionen für ver­mittelte Hypo-Kredite. Im berühmt-berüchtigten Buwog-Tagebuch schreibt Meisch­berger, dass Haiders Ex-Sekretär Franz Koloini ihm er­zählt habe, dass die Haider-Ver­trauten Gerald Mikscha und Karlheinz Petritz mit viel Geld "abgehauen“ sind. Es soll sich um das Geheim­ver­mögen des irakischen Diktators Saddam Hussein und des libyschen Gaddafi-Clans handeln, das von der Hypo ver­waltet wurde. Mikscha und Petritz haben die Story zwar oft als un­wahr zurück­ge­wiesen. Doch Geld­trans­porte waren in der Haider-Welt durch­aus üblich. Elisabeth Kaufmann-Bruckberger, eine Petritz-Freundin, über­raschte kürz­lich mit dem Ge­ständnis, Hundertausende Euro illegale Pro­vision für Haider in Empfang ge­nommen zu haben.

Die Sonderbehandlung der FMA wurde 2006 deutlich. Wegen der bekannt gewordenen Swap-Ver­luste musste sie auf öffent­lichen Druck ein Amts­ent­hebungs­ver­fahren gegen Kulterer einleiten. Haiders Reaktion ließ nicht lang auf sich warten:. "Jeder Hendl­dieb wird in Öster­reich besser be­handelt als ein er­folg­reicher Bank­direktor“, wetterte er im Mai 2006 gegen die FMA. Offenbar wolle man sich am "Bank­platz Wien eines un­kon­ventionellen und un­beliebten Bank­direktors“ ent­ledigen. Haider forderte die Amts­ent­hebung der FMA-Vor­stände und drohte mit An­zeige. Die FMA fand eine Lösung, um Haider zu be­sänftigen: Kulterer wurde der Wechsel vom Vor­stand an die Spitze des Hypo-Auf­sichts­rats er­laubt, wo er die Bank weiter­hin steuern konnte - so wie es Haider wollte. Eine frag­würdige FMA-Ent­scheidung, weil die Staats­an­walt­schaft gegen Kulterer wegen Bilanz­fälschung zu er­mitteln be­gann, ein Ver­fahren, das im November 2008 zur ersten Ver­urteilung in der Hypo-Affäre führte. Doch die Angst der FMA vor Haider war offen­bar größer.

In der Folge fädelten Kulterer und Tilo Berlin 2007 den Einstieg der Bayerischen Landesbank ein. Ein Deal, der sich als höchst korrupt dar­stellte. Stich­worte: Birnbacher-Gutachten und Hypo-Consultants-Verkauf. Bezeichnend dafür ist die vorjährige Verurteilung von Ex-Bayern-LB-Chef Werner Schmidt in München: Er wurde wegen Be­stechung von Jörg Haider be­straft.

Die Angst der Notenbanker

Die Notenbanker wussten wie es sich anfühlt, Jörg Haider zum Feind zu haben. Das war nicht lustig. In den 90er-Jahren wurden sie in TV-Duellen von Haider vor­ge­führt: "Die leben ja wie im Schlaraffenland“. Besonders gern attackierte er Noten­bank-Präsident und Super­pensionist Adolf Wala. Vom Rechnungs­hof, wo sein Freund "JoMo“ saß, bekam er immer wieder neuen Stoff. So etwa im September 2006 als der Druck im Hypo-Koch­topf wegen der Swap-Ver­luste groß wurde. Haider forderte die "Ab­setzung der gesamten Chef­etage der Nationalbank“. Der damalige OeNB-Gouverneur Klaus Liebscher habe die Luxus-Pensionen "nicht ab­ge­schafft“, wetterte Haider, sondern "Pfründe ge­sichert und aus­geweitet“. Tat­sächlich war die OeNB ein Hort bei­spiel­loser Pensions­pri­vi­legien. Das machte die Noten­banker an­greif­bar und nährte deren Haider-Phobie. So kam es, dass die OeNB bei Hypo-Prüfungen der Hypo Alpe-Adria seit 2001 immer wieder Mängel wie etwa im Risiko­management fest­stellte und dem Finanz­ministerium meldete, aber nicht nach­prüfte, ob Fehler be­hoben wurden. Mit dem Ver­fassen der Prüf­berichte war es für die OeNB auch schon getan. Haiders Zorn sollten sich andere zu­ziehen, dachten sich wohl Liebscher und sein oberster Bank­prüfer, Andreas Ittner, heute OeNB-Vizegouverneur.

Die Vermeidungshaltung rächte sich. Als die Hypo 2008 um Staatshilfe bettelte, hätte das Ansuchen eigentlich ab­ge­lehnt werden müssen. Die Bank war in katastrophalem Zustand. Doch frühere Fehl­leistungen von FMA, OeNB & Co wären sofort ans Tages­licht ge­kommen. OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny und Vize Ittner zogen es vor, der Hypo einen Persil­schein auszustellen. Die FMA und die Fimbag als republik­eigene Wächter über die Staats­hilfen ak­zeptierten die Aus­zahlung still­schweigend. Pikant: FMA-Vor­stand Helmut Ettl ist ein ehemaliger OeNB-Banken­prüfer, und die beiden Fimbag-Vor­stände heißen Adolf Wala und Klaus Liebscher.

Die Vertuschung der jahrelangen Aufsichtsfehler wäre beinahe gelungen, wenn die Bayern-LB nicht den Stecker bei der Hypo ge­zogen und der Staat die Hypo ohne Not ver­staatlicht hätte. Doch bis der U-Aus­schuss die Ver­ur­sacher für den Hypo-Milliarden­schaden fest­macht, wird es noch dauern. Die Ex­pedition durch das Haider-Universum hat gerade erst begonnen.

Tuesday, June 2, 2015 8:38:00 PM
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