CETA - Keine Sonderklagerechte für Konzern


CETA - Keine Sonderklagerechte für Konzern
 

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Ein Großteil der Kritik an den vielen neueren Handelsabkommen, die die EU zurzeit verhandelt, richtet sich gegen Investor-Staat-Klagerechte (Investor-State Dispute Settlement, ISDS). Die Europäische Kommission hat Ende des Jahres 2015 auf den massiven Druck der Öffentlichkeit am ISDS-System das Streitbeilegungsverfahren überarbeitet – nun heißt es Investitionsgerichtssystem (Investment Court System, ICS).

Der ICS-Vorschlag wurde im Kontext der Verhandlungen zwischen der EU und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) veröffentlicht. Auch im Abkommen zwischen der EU und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) ist das reformierte Schiedsgericht vorgesehen. Einige Kritikpunkte am Schiedsverfahren wurden im Rahmen der Reformen der EU-Kommission berücksichtigt. Aber dennoch bleibt die Kernkritik an privilegierten Klagerechten und einer Paralleljustiz für multinationale Konzerne unverändert aufrecht.

 

EINSEITIGE SONDERRECHTE FÜR AUSLÄNDISCHE INVESTORiNNEN

Mit CETA sollen ausländischen InvestorInnen mehr Rechte zugesprochen werden als irgendeiner anderen Gruppe der Gesellschaft. Nur ausländische InvestorInnen können Klage gegen Regulierungen im Interesse des Gemeinwohls, die ihre Investitionen beeinträchtigen, einreichen. Inländische InvestorInnen sind dann im Vergleich diskriminiert, da sie nur im Rahmen der nationalen Gesetze nationale Gerichte anrufen können. Ausländische InvestorInnen können sich hingegen zwischen den nationalen Gerichten in Kanada bzw. den EU-Staaten und dem neuen kanadisch-europäischen Schiedstribunal entscheiden und das für sie günstigere wählen. Es gibt keinen Grund, diese Sonderrechte in CETA zu verankern und die Interessen von InvestorInnen über das Allgemeinwohl der Bevölkerung zu stellen!

Während weitgehende InvestorInnenrechte verankert werden, fehlt es an InvestorInnenpflichten: Fehlverhalten von Unternehmen kann nicht zur Anzeige gebracht werden. Vielmehr eröffnet die Entscheidung, dieses mächtige Instrument in CETA aufzunehmen, den ausländischen InvestorInnen die Möglichkeit, gegen demokratisch verabschiedete Regelungen vorzugehen. So könnten unter Umständen Formen der Mitbestimmung, wie das Mitspracherecht von ArbeitnehmerInnen in Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften, als indirekte Enteignung angegriffen werden, weil Unternehmensentscheidungen blockiert werden können.

Der Investitionsschutz in CETA enthält die gleichen weitreichenden Bestimmungen für InvestorInnen, die schon in vielen Fällen dazu geführt haben, dass Umwelt- oder Sozialgesetze angegriffen wurden (siehe „WAS BISHER GESCHAH“). Die Garantie auf „faire und gerechte“ Behandlung und der Schutz vor indirekter Enteignung ermöglichen es Konzernen weiterhin, bei drohenden zukünftigen Profitverlusten zu klagen.

 

WAS BISHER GESCHAH …

Bisher sind 696 ISDS-Klagen bekannt, wobei in 40 Prozent der Fälle Industriestaaten von ausländischen Konzernen verklagt wurden. Es gibt somit zahlreiche Beispiele, die zeigen, welche Möglichkeiten ausländische InvestorInnen haben, gegen legitime staatliche Regelungen vorzugehen, die ihnen nicht passen:

  • Jahrelang haben die kanadische und die US-amerikanische Bevölkerung zusammen mit zivilgesellschaftlichen Gruppen dafür gekämpft, dass das Megaprojekt Keystone XL gestoppt wird – eine Öl-Pipeline, die von der kanadischen Provinz Alberta durch die USA bis hin zum Golf von Mexiko führen und Öl aus Teersanden transportieren sollte. Präsident Obama hat das Projekt aus Klimaschutzgründen abgelehnt. Nun verklagt das kanadische Unternehmen TransCanada die USA auf 15 Milliarden US-Dollar im Rahmen des Handelsabkommens NAFTA zwischen Kanada, der USA und Mexiko.
  • Im Jahr 2012 verklagte das französische Unternehmen Veolia Ägypten auf Basis des bilateralen Investitionsabkommens zwischen Frankreich und Ägypten. Bestimmungen eines Vertrags zur Müllentsorgung in der Stadt Alexandria sollen gebrochen worden sein. Die Stadt hatte Veränderungen des Vertrags verweigert, mit denen Veolia höheren Kosten begegnen wollte – unter anderem aufgrund der Einführung eines Mindestlohns. Veolia fordert 82 Mio. Euro Entschädigung.
  • Das US-Unternehmen Bilcon wollte 2013 einen Steinbruch erweitern und einen Bergbauhafen in einer ökologisch sensiblen Region im Osten Kanadas bauen. Nach Protesten in der Region empfahl ein von der Regierung einberufenes Entscheidungsgremium, das Projekt aufgrund potenzieller negativer Umweltfolgen nicht zu genehmigen. Die Provinzregierungen folgten der Empfehlung und verweigerten die Zustimmung zum Bau des Hafens. Bilcon reichte Klage im Rahmen der NAFTA-Streitbeilegung ein und bekam recht. Nun geht es noch um die Höhe des Schadenersatzes. Bilcon fordert 300 Millionen US-Dollar Schadenersatz.

 

KLAGEN GEGEN NEUE GESETZE NACH WIE VOR MÖGLICH

Bisherige ISDS-Fälle zeigen, was uns mit den Sonderklagerechten bevorstehen könnte. Die Aussicht auf Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe und jahrelange Prozesse lassen befürchten, dass Regierungen sehr genau abwägen werden, ob und wie sie regulieren. Werden neue Gesetze dann von vornherein so gestaltet werden, dass sie den „Bedürfnissen“ der InvestorInnen entsprechen? Um den Problemen zu begegnen, wurde im neuen ICS explizit festgeschrieben, dass Staaten das „Recht zu regulieren“ (right to regulate) haben. Doch diese Formulierung ändert nichts. Das Regulierungsrecht soll gewährleisten, dass Regulierungsmaßnahmen auch weiterhin erlassen werden können, soweit sie „legitim“ und nicht „offenkundig exzessiv“ sind. Arbeitsschutzmaßnahmen werden nicht explizit als legitime Regulierungen aufgezählt. Allein das „Recht zu regulieren“ wird nicht verhindern, dass Regierungen wegen drohender Klagewellen unter Druck geraten und Regulierungsvorhaben ganz unterlassen oder unter Umständen verwässern. Denn was letztlich legitim und den InvestorInnen zumutbar ist, liegt in der Entscheidungsgewalt der ICS-SchiedsrichterInnen. Und Kosten in Milliardenhöhe für die SteuerzahlerInnen durch Verfahrens- und Entschädigungskosten werden durch das „Recht zu regulieren“ nicht auszuschließen sein.

INHALTLICHE MÄNGEL BLEIBEN AUCH IM ICS-SCHIEDSSYSTEM

Einige Elemente im ICS wurden untergebracht, die an ordentliche Gerichtsverfahren erinnern lassen. Verfahren sollen transparenter werden und es wird eine Berufungsinstanz geschaffen, sodass Verfahren auch noch einmal überprüft werden können. Auch auf die Auswahl der „RichterInnen“ haben die InvestorInnen nun weniger Einfluss. Doch als RichterIn kommt lediglich eine kleine Gruppe von JuristInnen infrage, die schon bisher in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit tätig waren. Also diejenige Personengruppe, die Erfahrung darin hat, wie man die Interessen der Unternehmen gegen Staaten durchsetzt. Hinzu kommen die Entlohnungsbestimmungen (äußerst geringes Grundeinkommen mit Tagessätzen, die sich am Streitwert orientieren). Da können sich manche RichterInnen an dem Job eine goldene Nase verdienen. Deshalb sind Zweifel an der Unabhängigkeit der SchiedsrichterInnen angebracht.

Trotz Verbesserungen und Korrekturen werden die Hauptkritikpunkte nicht entkräftet: Sollte CETA in seiner endgültigen Form verabschiedet und ratifiziert werden, trägt das Investitionsschutzkapitel dazu bei, dass von demokratisch gewählten Parlamenten verabschiedete Gesetze von privaten InvestorInnen unter Beschuss geraten, die ihre Investitionen gefährdet sehen.

Deshalb haben sich Beschäftigte und Gewerkschaften aus vielen Teilen Europas schon früh gegen Klagerechte von InvestorInnen gegenüber Staaten ausgesprochen – besonders wenn Staaten miteinander verhandeln, deren Rechtssysteme als hochentwickelt gelten und deren nationale Gerichte ebenso in der Lage wären, solche Streitigkeiten unabhängig und unparteiisch zu entscheiden.

Beschäftigte, VerbraucherInnen, kleine und mittelständische Unternehmen dürfen am Ende nicht die VerliererInnen neuer Handelsabkommen wie CETA werden. Handel muss so gestaltet werden, dass er allen nützt.

 

 

CETA IST TTIP DURCH DIE HINTERTÜR – UNSERE FORDERUNGEN

Verstärkte Handelsbeziehungen sind zu befürworten, aber nicht auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es wurden wichtige Anliegen nicht berücksichtigt. So darf CETA nicht ratifiziert werden. Wir wollen fairen Handel!

 

KEINE SONDERKLAGERECHTE FÜR KONZERNE

Wir lehnen die Schaffung von Sonderklagerechten für InvestorInnen (ISDS/ICS) weiterhin ab. Die Korrekturen, die erst aufgrund des öffentlichen Drucks in das CETA-Abkommen aufgenommen wurden, reichen nicht aus, da nach wie vor die Sonderklagerechte für InvestorInnen Vorrang vor öffentlichen Interessen haben.

 

LEISTUNGEN DER DASEINSVORSORGE SIND EIN ALLGEMEINGUT UND HABEN NICHTS IN EINEM HANDELSABKOMMEN ZU SUCHEN

Wir verlangen eine unmissverständliche Herausnahme der Daseinsvorsorge wie Wasser, Energie, Verkehr, Sozialversicherung, Gesundheitswesen, kommunale Dienstleistungen, Bildung, soziale Dienstleistungen und Kultur aus allen Abkommensbestimmungen von CETA. Für alle anderen Dienstleistungen muss der Positivlistenansatz verfolgt werden.

 

EINKLAGBARE ILO-KERNARBEITSNORMEN

Kernarbeitsnormen und darüber hinausgehende Arbeitsstandards der ILO sind in Handelsabkommen verbindlich zu verankern. Verstöße sind mit Sanktionen zu belegen.

 

HOHE SOZIAL-, GESUNDHEITS- UND UMWELTSTANDARDS

Es ist zu befürchten, dass durch eine gegenseitige Anerkennung oder Harmonisierung wichtige Verbote oder Regelungen zum Schutz der Gesundheit, der ArbeitnehmerInnen oder der Lebensmittelsicherheit gelockert oder gar aufgehoben werden. Ausnahmen für sensible Bereiche sind nicht ersichtlich. Das für das europäische Modell maßgebliche Vorsorgeprinzip muss explizit verankert werden.

 

Impressum ->

Friday, June 24, 2016 5:00:00 PM
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