CETA - Keine Agenda zur Sicherung unserer Arbeitsstandards
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Freihandelsabkommen enthalten neben den Bestimmungen zu Zollabbau und Marktzugang auch Kapitel, in denen nachhaltige Entwicklung, Umweltschutz und ArbeitnehmerInnenrechte behandelt werden.
Auch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada – Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) – enthält drei solcher Sozial- und Umweltkapitel: Handel und nachhaltige Entwicklung (Kap. 22), Handel und Arbeit (Kap. 23) und Handel und Umwelt (Kap. 24).
LIPPENBEKENNTNISSE STATT ECHTEN FORTSCHRITTS
Das CETA-Kapitel zu Handel und Arbeit beruft sich auf multilaterale Prinzipien und Standards, die im Rahmen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) entwickelt und festgeschrieben worden sind. Die EU und Kanada verpflichten sich dazu, die vier Grundprinzipien, wie sie in der ILO-Erklärung von 1998 festgelegt sind, „zu respektieren, zu fördern und zu realisieren“. Sie beinhalten das Recht auf Vereinigungsfreiheit und auf kollektive Tarifverträge, die Abschaffung aller Formen von Zwangs- und Pflichtarbeit, die Abschaffung von Kinderarbeit und die Abschaffung von Diskriminierungen hinsichtlich Beschäftigung und Beruf.
Der Bezug zur ILO-Erklärung von 1998 reicht jedoch nicht aus. Die acht ILO-Mindest- bzw. Kernarbeitsnormen müssen ebenfalls ratifiziert, in nationales Recht umgesetzt und effektiv angewendet werden. Die ILO-Kernarbeitsnormen gelten als international anerkannte Minimalstandards, um Beschäftigten Schutz und Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu garantieren.
Darüber hinaus sollen durch CETA die Ziele der ILO-Erklärung von 2008 über menschenwürdige Arbeit (Decent Work Agenda) „gefördert“ werden. Neben den Kernarbeitsnormen werden darunter die Förderung produktiver Beschäftigung durch Qualifizierung, soziale Sicherheit (Altersvorsorge, Arbeitslosenversicherung, Mutterschutz u. Ä.) und der soziale Dialog (Regierung, ArbeitnehmerInnen, ArbeitgeberInnen) subsumiert.
Der Bezug zu den international anerkannten ArbeitnehmerInnenstandards der ILO ist wichtig und richtig. Sie sollen die fundamentalen Rechte von ArbeitnehmerInnen sichern und gewährleisten, dass Arbeit menschenwürdig gestaltet wird. Die Verpflichtungen im CETA-Kapitel sind aber unverbindlich formuliert. Die Kernarbeitsnormen lediglich zu „fördern“ und zu „respektieren“ entspricht nicht der Verpflichtung, zu „ratifizieren“ und tatsächlich „umzusetzen“.
Gerade in hochentwickelten Industriestaaten wie Kanada und der EU dürfte die Frage der Ratifizierung aller acht Kernarbeitsnormen und ihrer tatsächlichen Umsetzung eigentlich gar nicht mehr zur Debatte stehen. Alle 28 Mitgliedstaaten der EU haben die acht Kernarbeitsnormen ratifiziert. In Kanada hingegen wurden die Normen zum Vereinigungsrecht und zum Recht auf Kollektivverhandlungen nicht ratifiziert.
Die ILO-Kernarbeitsnormen stellen aber eben nur einen Minimalstandard dar, auf dem sich Industriestaaten nicht ausruhen dürfen. In einem fortschrittlichen Handelsabkommen zwischen Industriestaaten, das ArbeitnehmerInnenrechte voranbringen will, müssen die Prinzipien der ILO Decent Work Agenda – also die grundlegenden Rechte am Arbeitsplatz, sozialer Schutz und sozialer Dialog – sukzessive umgesetzt, ratifiziert und effektiv angewandt werden, damit sie ihre Wirkung entfalten können.
Doch zu viel mehr als der Festschreibung des Status quo in Sachen ArbeitnehmerInnenrechte können sich die Vertragsparteien EU und Kanada offenbar nicht durchringen.
So wurde an anderer Stelle ein Artikel aufgenommen, der zwar festhält, dass ArbeitnehmerInnenrechte nicht abgeschafft oder Sozialstandards abgesenkt werden dürfen, um mehr Handel und Investitionen anzulocken. Ein wichtiger und richtiger Punkt, aber bei Weitem nicht ausreichend. Vielmehr sollen Sozialstandards laufend verbessert werden, um den Wettbewerbsdruck auf Löhne und Arbeitsbedingungen zu beenden und einen Dumpingwettbewerb zu verhindern. Leider fehlen dazu in CETA verbindliche Durchsetzungsmöglichkeiten.
VERSTÖSSE GEGEN ARBEITSRECHT BLEIBEN FOLGENLOS
Eine andere Frage ist, was passiert, wenn selbst diese Minimalstandards und damit die Rechte von Beschäftigten verletzt werden. CETA enthält zwar einen allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus, der dazu führen kann, dass z. B Beschränkungen des Handelsverkehrs letztendlich mit Sanktionen geahndet werden – dass also z. B. Strafzahlungen fällig werden oder dass durch CETA abgebaute Zölle zeitweise wieder angehoben werden dürfen. Die Kapitel zu Handel und Arbeit, Umwelt und nachhaltiger Entwicklung sind jedoch von diesem Mechanismus ausgenommen! Für diese Themen gibt es ein kapiteleigenes Verfahren, das Mediation und Konsultationen bei Verstößen gegen ArbeitnehmerInnen- und Umweltrechten vorsieht. Sanktionen sind jedoch nicht vorgesehen. ExpertInnen sollen bei Verstößen Empfehlungen aussprechen. Hindert beispielsweise ein kanadisches Unternehmen, das in der EU tätig ist, seine MitarbeiterInnen daran, Gewerkschaften beizutreten, erwartet es im Rahmen von CETA lediglich ein Empfehlungsschreiben des ExpertInnengremiums. Da keine Sanktionen verhängt werden können, bleibt das Vergehen ohne Konsequenzen und das Unternehmen kann die Empfehlungen getrost ignorieren.
Dass Unternehmen diese Freiheiten ausnutzen, zeigen Fälle im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Dort kommt es immer wieder vor, dass Unternehmen, die ArbeitnehmerInnenrechte verletzt hatten, zu einem Konsultationsgespräch bei der OECD-Kontaktstelle vorgeladen werden und nicht erscheinen. Folgen hatte dieses Verhalten keine.
Dieser Umstand ist umso problematischer, als ausländische InvestorInnen im Rahmen von CETA über Sonderklagerechte verfügen. Der Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus gibt Unternehmen das Recht, Staaten zu verklagen, um ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen – umgekehrt nicht.
Deshalb: Verstöße gegen ArbeitnehmerInnenrechte dürfen nicht straffrei bleiben, sondern müssen mit Sanktionen geahndet werden. Nur so kann eine wirksame Umsetzung und Einhaltung der Standards garantiert werden und damit ein Grundstein für bessere Arbeitsbedingungen gelegt werden.
POSITIVE EFFEKTE VON ARBEITSNORMEN
Umfangreiche Studien1) der Weltbank zeigen, dass Handel und Globalisierung internationaler Arbeitsnormen bedürfen und nicht Angelegenheit einzelner Staaten bleiben dürfen. Im Ergebnis führen das Recht auf Gewerkschaftsgründung und die Kollektivvertragsfreiheit zu folgenden Effekten:
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Höhere Einkommensgerechtigkeit, bessere Wirtschaftsleistung
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Niedrigere Arbeitslosigkeit
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Höhere Produktivität
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Höhere Durchschnittslöhne für ArbeitnehmerInnen in industrialisierten wie auch
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in Entwicklungsländern
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Reduziert Einkommensunterschiede zwischen gelernten und ungelernten
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Arbeitskräften sowie zwischen Männern und Frauen
1) „Unions and Collective Bargaining: Economic Effects in a Global Environment”, World Bank, Washington, 2003
CETA IST TTIP DURCH DIE HINTERTÜR – UNSERE FORDERUNGEN
Verstärkte Handelsbeziehungen sind zu befürworten, aber nicht auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es wurden wichtige Anliegen nicht berücksichtigt. So darf CETA nicht ratifiziert werden. Wir wollen fairen Handel!
KEINE SONDERKLAGERECHTE FÜR KONZERNE
Wir lehnen die Schaffung von Sonderklagerechten für InvestorInnen (ISDS/ICS) weiterhin ab. Die Korrekturen, die erst aufgrund des öffentlichen Drucks in das CETA-Abkommen aufgenommen wurden, reichen nicht aus, da nach wie vor die Sonderklagerechte für InvestorInnen Vorrang vor öffentlichen Interessen haben.
LEISTUNGEN DER DASEINSVORSORGE SIND EIN ALLGEMEINGUT UND HABEN NICHTS IN EINEM HANDELSABKOMMEN ZU SUCHEN
Wir verlangen eine unmissverständliche Herausnahme der Daseinsvorsorge wie Wasser, Energie, Verkehr, Sozialversicherung, Gesundheitswesen, kommunale Dienstleistungen, Bildung, soziale Dienstleistungen und Kultur aus allen Abkommensbestimmungen von CETA. Für alle anderen Dienstleistungen muss der Positivlistenansatz verfolgt werden.
EINKLAGBARE ILO-KERNARBEITSNORMEN
Kernarbeitsnormen und darüber hinausgehende Arbeitsstandards der ILO sind in Handelsabkommen verbindlich zu verankern. Verstöße sind mit Sanktionen zu belegen.
HOHE SOZIAL-, GESUNDHEITS- UND UMWELTSTANDARDS
Es ist zu befürchten, dass durch eine gegenseitige Anerkennung oder Harmonisierung wichtige Verbote oder Regelungen zum Schutz der Gesundheit, der ArbeitnehmerInnen oder der Lebensmittelsicherheit gelockert oder gar aufgehoben werden. Ausnahmen für sensible Bereiche sind nicht ersichtlich. Das für das europäische Modell maßgebliche Vorsorgeprinzip muss explizit verankert werden.
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