Mythen und Fakten zum Thema Griechenland
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Mythen und Fakten zum Thema Griechenland | Sozialdemokratische Partei Österreichs
1. Falsch ist: Griechenland macht kaum Einsparungen.
Richtig ist: Kein Land hat seine Staatsausgaben so drastisch gekürzt.
Noch 2009 lag das Budgetdefizit bei 15,6 %, im vergangenen Jahr bei nur mehr rund 2,5 %. Einen so radikalen Defizitabbau hat es noch nie gegeben. Beachtlich sind auch die Zahlen bezüglich der öffentlichen Beschäftigung: Laut dem irischen Ökonomen Karl Whelan hat Griechenland in den vergangenen Jahren auch eine Rekordzahl an Beschäftigten im Staatssektor abgebaut. Deren Anteil an den Gesamtbeschäftigten und ihre Gagen liegen übrigens unter dem OECD-Schnitt.
2. Falsch ist: Ausscheiden Griechenlands aus Eurozone für alle besser.
Richtig ist: Grexit hätte verheerende Folgen für gesamte Eurozone.
Würde Griechenland aus der Eurozone austreten, würde ein wirtschaftlicher Zusammenbruch mit Konsequenzen wie Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut drohen. Und nicht nur Griechenland würde unter den finanziellen und humanitären Folgen leiden, auch auf Österreich hätte dies verheerende Auswirkungen: Laut WIFO würde ein Grexit die für Österreich wichtige Region in Ost- und Südosteuropa destabilisieren und uns damit wirtschaftlich hart treffen. Griechenland könnte weiters einen Großteil seiner Schulden nicht mehr bedienen. Wie die FPÖ für einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone, aber gegen einen Schuldenschnitt einzutreten, ist ein Widerspruch in sich.
3. Falsch ist: Die Griechen gehen mit 56 Jahren in Pension.
Richtig ist: Das Pensionsantrittsalter liegt über dem OECD-Schnitt.
Laut EU-Kommission liegt das Pensionsantrittsalter bei Männern im Schnitt bei 64,4 und bei Frauen bei 64,5 Jahren. Zum Vergleich der OECD-Schnitt (2012): Männer gehen mit 64,2 und Frauen mit 63,1 Jahren in Pension. Die kolportierten 56 Jahre beziehen sich ausschließlich auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Fast die Hälfte der Pensionisten erhält weniger als 665 Euro und fällt damit unter die Armutsdefinition der EU.
4. Falsch ist: Im Sommerurlaub ist von einer Krise nichts zu merken.
Richtig ist: Kein Land in der EU ist so stark von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen.
Laut Eurostat ist jeder vierte Grieche arbeitslos. Jeder zweite Jugendliche hat keinen Job, die Jugendarbeitslosigkeit ist zwischen 2008 und 2014 um 238 % gestiegen. Dazu kommen 620.000 MindestpensionistInnen, die zwölfmal im Jahr nur 487 Euro erhalten. Weiters leben 2,5 Millionen Griechen ohne Krankenversicherung. In einigen Regionen können sich nur drei von zehn Griechen verschriebene Medikamente leisten.
5. Falsch ist: Neues Hilfsprogramm bringt nichts und kostet nur.
Richtig ist: Kein frisches Geld fürs Hilfsprogramm benötigt.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM nimmt als Finanzinstitution selbst Geld am Finanzmarkt auf (insgesamt bis zu 500 Mrd. Euro) und gibt es an Griechenland weiter. Der ESM braucht für Griechenland kein neues Geld aus den Mitgliedstaaten, sondern arbeitet mit einem Kapitalstock in der Höhe von 80 Mrd. Euro (Österreichs Anteil: 2,24 Mrd. Euro), der bereits 2014 von den Euro-Ländern fertig einbezahlt wurde. Das österreichische Budget wird also nicht belastet.
6. Falsch ist: Griechenland ist allein verantwortlich für seine Probleme.
Richtig ist: Die Troika ist maßgeblich mitverantwortlich.
In den 2000er Jahren war Griechenland sehr erfolgreich in Sachen Wachstum. Im Zuge der Krise fiel die Wirtschaftsleistung immer weiter ab. Die Sparauflagen der zur „Rettung“ eingesetzten Troika (EU-Kommission, IWF, EZB) drückten die Wirtschaftsleistung weiter: Die gesamtwirtschaftliche Produktion und das Einkommen sanken von Mai 2010 bis Ende 2013 real zusätzlich um fast 20 Prozentpunkte. Seit Beginn der „Hilfen“ ist das griechische BIP um ca. 30 Prozentpunkte gesunken – ein Rückgang wie in den USA in der Großen Depression der 1930er Jahre. Lesenswert dazu: http://blog.arbeit-wirtschaft.at/flassbeck-griechenland/
7. Falsch ist: Kein Wille zum Kompromiss auf griechischer Seite.
Richtig ist: Griechenland hat hunderte Reformprojekte umgesetzt.
Ja, auch mehr als fünf Jahre nach Beginn der Krise gibt es in Griechenland immer noch kein richtig funktionierendes Steuersystem samt Kontrolle. Dass sich nichts verändert hat, ist aber falsch: Abgesehen vom stark reduzierten Staatsdefizit (Punkt 1) setzten die griechischen Regierungen bis Ende 2013 über 50 große und mehrere hundert kleine Reformprojekte um. Beispielsweise wurden Sonderzahlungen für Pensionisten gestrichen, eine Krisenabgabe für profitable Unternehmen eingeführt und Steuervergünstigungen abgeschafft.
8. Falsch ist: Griechenland muss sich aus den Schulden heraussparen.
Richtig ist: Aus einer Krise kann sich ein Land nur herausinvestieren.
Reines Sparen vergrößert die Schulden oft sogar, denn so werden Investitionen verhindert, die Wirtschaft stagniert und der Staat nimmt weniger Steuern ein. Die Strategie, die griechischen Schulden durch Ausgabenkürzungen zu senken, ist gescheitert. Aus seiner Krise kann sich das Land nur herausinvestieren, nicht heraussparen.
9. Falsch ist: Kein Geld für Pensionen, aber für Panzer.
Richtig ist: Ausgaben für Landesverteidigung seit 2009 fast halbiert.
Seit dem Jahr 2009 sind die griechischen Militärausgaben fast um die Hälfte geschrumpft (von 7,6 Mrd. auf 4 Mrd. Euro). Das belegen Zahlen des Stockholmer Friedensinstituts Sipri. Die neue Regierung in Athen hatte in den vergangenen Monaten alle Rüstungsprojekte auf Eis gelegt, Geld floss nur noch in Gehälter und Reparaturen. Und: Als NATO-Mitglied hat Griechenland wie alle anderen Mitglieder 2 % des BIP in den Wehretat zu investieren.
10. Falsch ist: „Grexit auf Zeit“ hilft Griechenland aus der Krise.
Richtig ist: „Pause vom Euro“ stürzt Land ins Chaos.
Der dt. Finanzminister Schäuble wollte darüber verhandeln, dass Griechenland die Eurozone für fünf Jahre verlässt und seine Schulden restrukturiert, dabei aber EU-Mitglied bleibt. Er hat damit den Eindruck erweckt, dass es vielleicht nützt, wenn Griechenland aus der Währungszone herausfällt. Das wäre der völlig falsche Weg (siehe Punkt 2). Man kann einem Land nicht einfach zurufen: „Macht doch mal Pause von der Währung.“ Die Kosten für humanitäre Hilfe, die nach einem Grexit notwendig würde, wurden von Schäuble offenbar auch nicht berücksichtigt.