Kürzung von Lohnnebenkosten - Die große Lüge

Vor den Wahlen brodelt die Debatte um die Kürzung von Lohn­neben­kosten. Arbeit­ge­ber:innen be­kla­gen hohe Arbeits­kos­ten und war­nen er­neut vor einer Gefährdung des Standorts. Was da so schlüssig, harmlos und volkswirtschaftlich gerechtfertigt klingt, ist für Arbeitnehmer:innen fatal.

Lohnnebenkosten sind nichts Nebensächliches, auch wenn der Begriff so klingen mag.

Lohnnebenkosten sind die Abgaben der Arbeitgeber:innen, die auf das Brutto­ge­halt der Arbeit­neh­mer:innen auf­ge­schla­gen wer­den. Kon­kret be­deu­tet das, dass sich die Be­schäf­tig­ten einen Brut­to­lohn und die Lohn­neben­kos­ten er­wirt­schaf­ten. „Lohn­neben­kos­ten sind kein Ge­schenk der Arbeit­ge­ber:innen, mit dem sie ihre Arbeit­neh­mer:innen be­son­ders för­dern. Sie sind ein Teil von dem, was sich die Arbeit­neh­mer:innen er­wirt­schaf­tet ha­ben“, er­klärt Miriam Fuhr­mann, Ex­per­tin für Volks­wirt­schafts­lehre beim Öster­rei­chi­schen Gewerk­schafts­bund (ÖGB).

Unter die Lohnnebenkosten fallen Beiträge zur Pensions-, Kranken-, Unfall- und Arbeits­losen­ver­siche­rung, dem Fami­lien­lasten­aus­gleichs­fonds (FLAF), der Wohn­bau­förde­rung und der Ab­fer­ti­gung-Vor­sorge­kas­se so­wie die Kom­mu­nal­steuer. Ein Bei­spiel für Lohn­neben­kos­ten, das die meis­ten Men­schen ken­nen, ist die So­zial­ver­si­che­rung. „Auf dem Lohn­zet­tel se­hen Arbeit­neh­mer:innen den An­teil, den sie zur So­zial­ver­si­che­rung zah­len. Hin­zu kommt noch der zu­sätz­liche Bei­trag, den der:die Arbeit­geber:in dazu­zahlt, der am Lohn­zet­tel aber nicht auf­scheint“, so Fuhrmann.

„Es kursiert auch die Behauptung, dass das Geld irgendwann einmal an die Arbeit­nehmer:innen weiter­ge­geben wird. So­wohl die Er­fah­rung der Kür­zungen als auch ak­tu­el­le Stu­dien zei­gen: Das ist – bis auf eini­ge weni­ge Aus­nah­men – nicht der Fall. De facto ha­ben die Men­schen dann nicht „mehr netto vom Brutto“, sagt Pirkl­bauer. Statt­des­sen wür­den zu­sätz­liche Kos­ten in Form von Selbst­be­hal­ten oder Aus­ga­ben die Men­schen zu­neh­mend be­las­ten, wäh­rend ihr Netto­ge­halt gleich bleibe.

Die Aussage, dass eine Kürzung der Lohnnebenkosten den allgemeinen Wohl­stand er­höht, klingt gut und wäre natürlich wünschenswert, ist realökonomisch aber falsch und ba­sie­re auf dem neo­libe­ra­len Kon­zept, dass jeg­li­che Form von Ver­zicht bei staat­li­chen Ein­nah­men das Le­ben der Men­schen bes­ser mache. „Man blen­det kom­plett aus, dass die öf­fent­li­che Hand die Bei­trä­ge nicht zum Spaß ein­nimmt und das Geld ver­pul­vert, son­dern dass es diese Ein­nah­men braucht, um ein ho­hes Leis­tungs­niveau sicher­zu­stel­len“, sagt Pirklbauer.

Auch wenn die Debatte um die Kürzung der Lohnnebenleistungen für einige Men­schen zu trocken oder kompli­ziert er­scheint, so wird doch vie­len nach und nach klar, dass sie im Grun­de alle Ar­beit­neh­mer:innen und unser al­ler Lebens­ver­hält­nisse be­trifft.

Ist eine „Wertschöpfungsabgabe“ eine Alternative?

Eine Senkung der Lohnnebenkosten wäre nur bei gerechter Gegen­finan­zie­rung ak­zep­tabel. Der ÖGB schlägt hier­für eine „Wert­schöp­fungs­ab­gabe“ vor. Der­zeit hän­gen die Lohn­neben­kos­ten nur von der Lohn­summe ab. Bes­ser wäre es, an der ge­sam­ten Wert­schöp­fung eines Be­triebes an­zu­set­zen. So­mit wären per­so­nal­starke Unter­neh­men nicht län­ger stär­ker be­las­tet als kapi­tal­in­tensive. Betriebe, die Be­schäf­tigte weg­ratio­na­li­sieren und sich Ab­gaben er­sparen, wür­den dann ge­rech­ter zur Finan­zie­rung unse­res Sozial­staats beitragen.

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Warst du vielleicht bei unserer Gesellschaftspolitischen Veranstaltung am 4. April 2016 als Gast mit dabei, als wir dem Wort "Wertschöpfungsabgabe" eine sachliche Bedeutung zugeornet haben?
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Posted by Allé Wilfried Sunday, September 1, 2024 11:10:00 AM Categories: Soziales
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