CETA Regulierungszusammenarbeit gefährdet Demokratie und Standards
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Das europäisch-kanadische Abkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) gilt als Vorläufer von TTIP – es ist bereits fertig verhandelt und muss demnächst ratifiziert werden. Normalerweise werden bei Handelsabkommen Zölle abgebaut und Quoten festgelegt. Doch hier geht es um viel mehr. Bestehende und zukünftige Regulierungsunterschiede zwischen der EU und Kanada, die sich als „unnötig und belastend“ für den Handel erweisen, sollen abgebaut werden. Diese sogenannten nicht tarifären Handelshemmnisse können sich zum Beispiel auf Produktionsstandards, Produktsicherheit oder Zulassungsverfahren für Produkte oder Dienstleistungsanbieter beziehen.
Sie sollen im Rahmen von transatlantischer Regulierungszusammenarbeit verringert werden, z. B. durch gegenseitige Anerkennung bestehender Regelungsunterschiede oder durch Harmonisierung zukünftiger Standards.
Es gibt jedoch große Unterschiede zwischen den Regulierungskulturen in Kanada und der EU, was die Zusammenarbeit schwierig machen dürfte. Bekannte Beispiele dafür sind der Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und Hormonen in der Tiermast oder die Zulassung bei Verfahren der Energiegewinnung (Fracking) in Kanada.
DEMOKRATIEDEFIZIT – PARLAMENTE WERDEN IGNORIERT
Die Regulierungszusammenarbeit zwischen der EU und Kanada wird in transatlantischen Gremien (Regulatory Cooperation Forum und CETA Joint Committee) stattfinden. Sie können völkerrechtlich verbindliche Beschlüsse fassen. Die EU-Kommission und kanadische Regulatoren werden über Gesetzesentwürfe beraten, ohne dass diese davor durch die Parlamente begutachtet, diskutiert und verabschiedet würden. Damit würden Vorentscheidungen über Gesetzesakte in den transatlantischen Gremien fallen und die Rolle der Parlamente auf beiden Seiten des Atlantiks geschwächt werden.
Doch nicht nur bei neuen Gesetzen will man zusammenarbeiten, auch bestehende Regulierungsunterschiede sollen noch nach dem Inkrafttreten von CETA abgebaut werden können. Denn CETA ist ein sogenanntes „lebendes Abkommen“. Das heißt, dass auch nach Ratifizierung des Abkommens Änderungen der Inhalte (z. B. der Anhänge, Anlagen, Protokolle und Anmerkungen) möglich sind, was eine signifikante Fortentwicklung des Abkommens in Richtung weiterer Liberalisierung zur Folge hätte. Das EU-Parlament stimmt jedoch nur ein einziges Mal bei der Ratifikation dem jetzigen Zustand des Abkommens zu. Über die Regulierungskooperation nach Inkrafttreten des Abkommens muss es nur noch informiert werden. Es gibt keine politische oder gesellschaftliche Auseinandersetzung mehr. Dies ist aus demokratiepolitischer Sicht höchst bedenklich.
FRÜHZEITIGE BETEILIGUNG VON LOBBYISTiNNEN
Im Gegensatz zu den Parlamenten sollen InteressenvertreterInnen möglichst frühzeitig in die Regulierungszusammenarbeit eingebunden werden. Offen bleibt, welche Interessen eingebunden und welche Einflussmöglichkeiten den InteressenvertreterInnen eingeräumt werden sollen. Bekannt ist, dass die Kommissionskontakte mit InteressenvertreterInnen extrem unausgewogen sind: 88 Prozent ihrer Lobbyingkontakte bestehen aus UnternehmenslobbyistInnen, aber nur 9 Prozent aus zivilgesellschaftlichen Organisationen. Ihre frühzeitige Beteiligung könnte eine Höher- oder zumindest Gleichgewichtung der öffentlichen Interessen gegenüber den Konzerninteressen erschweren und den Deregulierungsdruck erhöhen.
Wege, über die die InteressenvertreterInnen eingebunden werden sollen, sind die Informationspflicht über neue Regulierungsmaßnahmen und das Einholen von Folgenabschätzungen auf den Handel. Ziel ist es, negative Auswirkungen von geplanten Gesetzesinitiativen auf den transatlantischen Handel frühzeitig zu verhindern. Damit wird es Unternehmen in der EU und Kanada möglich, Gesetzesvorhaben, die ihren Handels- und Investitionsinteressen zuwiderlaufen, zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu beeinflussen. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass der Gesetzgebungsprozess durch verschiedene Kommentarschleifen verlängert und die Umsetzung progressiver Regelungen verzögert oder sogar verhindert wird.
EXTREM WEITER ANWENDUNGSBEREICH DER REGULIERUNGSZUSAMMENARBEIT
Wie bereits erwähnt, sind grundsätzlich alle geplanten und bestehenden Regulierungen der EU oder ihrer Mitgliedstaaten, die einen Bezug zum Waren- oder Dienstleistungshandel aufweisen, Gegenstand der Regulierungszusammenarbeit. Damit könnte so gut wie jeder Rechtsakt (Verordnungen, Richtlinien, Gesetze ...) davon erfasst werden, also auch jene, die dem Schutz der ArbeitnehmerInnen, der VerbraucherInnen und der Umwelt dienen. Die Regulierungszusammenarbeit berührt auch Bereiche, die in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten fallen. Unmittelbar beteiligt an der Zusammenarbeit sind sie jedoch nicht – sondern nur die EU selbst.
HOHE SCHUTZSTANDARDS SIND NICHT GEWÄHRLEISTET
Die Überprüfung von bestehenden Regulierungen im Rahmen des „lebenden Abkommens“ führt zwangsläufig zu der Frage, ob die aktuellen, relativ hohen Standards in Bereichen wie ArbeitnehmerInnenrechte, Umwelt- und VerbraucherInnenschutz gewahrt oder sogar ausgebaut werden können. Der Abkommenstext von CETA betont zwar das Bestreben, möglichst hohe Schutzstandards zu gewährleisten. Dennoch wurden dafür weiche, unklare und schwache Formulierungen verwendet, ganz im Gegensatz zu Unternehmensinteressen. Vor diesem Hintergrund ist es bedenklich, dass das Vorsorgeprinzip als ein Kernelement der europäischen Regulierungspolitik im Kapitel zur regulatorischen Kooperation gar nicht vorkommt. Das Vorsorgeprinzip ermöglicht, auch bei fehlender endgültiger wissenschaftlicher Gewissheit über das Ausmaß der Risiken präventive Maßnahmen zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt (wie etwa Verbote von Produkten und Herstellungsweisen) zu setzen. In der EU wenden wir es in vielen Bereichen wie etwa im ArbeitnehmerInnen-, Umwelt-, KonsumentInnen- oder Gesundheitsschutz (z. B. bei der Gentechnik, der Lebensmittelsicherheit oder gefährlichen Chemikalien) an.
Es besteht die Befürchtung, dass die derzeitigen Schutzniveaus durch eine Anerkennung der jeweils niedrigeren Standards in den Partnerstaaten indirekt gesenkt oder deren künftige Anhebung eingeschränkt werden könnten. Denn die niedrigeren Kosten bei der Einhaltung schwächerer Standards können einen Vorteil bei direkter Konkurrenz mit Produkten mit höheren Standards, die dadurch teurer sind, darstellen.
UNSERE KRITIKPUNKTE ZUSAMMENGEFASST
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Die Beurteilung, welche bestehenden und zukünftigen Gesetze und Bestimmungen, die demokratisch gefasst wurden, unnötig und belastend sind, darf nicht nach rein handelspolitischen Erwägungen oder aus Kostengründen erfolgen. Demokratisch gefasste Regelungen dürfen nach Inkrafttreten von CETA nicht von transatlantischen Gremien abgeändert und die zukünftige Entwicklung von Regulierungen nicht eingeschränkt werden. Parlamente müssen auf allen Ebenen der Regulierungszusammenarbeit eingebunden werden: Sie – und nicht transatlantische Gremien – müssen die Letztentscheidung behalten.
Wir lehnen die Einrichtung transatlantischer Gremien ab, in denen alle Regulierungen auf den Prüfstand kommen können.
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Folgenabschätzungen von neuen Regulierungsinitiativen dürfen nicht auf Handelshemmnisse reduziert werden. Auch die gesellschaftlichen und sozialen Kosten von Abänderungen oder der Aufhebung von Regulierungen müssen erhoben und berücksichtigt werden.
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Der Anwendungsbereich des Kapitels über Regulierungszusammenarbeit ist zu weit gefasst. Er muss genau definiert und eingegrenzt werden. Auszunehmen sind alle Regelungen sensibler Schutzinteressen: z. B. in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, KonsumentInnen (insbesondere der Datenschutz), Arbeitsstandards und Umwelt; bestimmte Sektoren (z. B. Chemikalien, Pharmaprodukte, Lebensmittelbereich) und Themen (z. B. gentechnisch veränderte Organismen (GVO), Hormone, Antibiotika oder veterinäre Angelegenheiten).
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Hohe Schutzniveaus anzustreben reicht nicht aus. Es ist sicherzustellen, dass bestehende Schutzniveaus nicht gesenkt und zukünftige Schutzniveaus entwickelt werden können. Das Vorsorgeprinzip entsprechend der EU-Gesetzgebung muss im Abkommenstext des Kapitels über die Regulierungszusammenarbeit ausdrücklich verankert werden. Die Einbindung von Interessenvertretungen in den Regulierungsprozess ist offenzulegen. Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen müssen eingebunden werden und nachvollziehbaren Einfluss auf die Ergebnisse bekommen.
CETA IST TTIP DURCH DIE HINTERTÜR – UNSERE FORDERUNGEN
Verstärkte Handelsbeziehungen sind zu befürworten, aber nicht auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es wurden wichtige Anliegen nicht berücksichtigt. So darf CETA nicht ratifiziert werden. Wir wollen fairen Handel!
KEINE SONDERKLAGERECHTE FÜR KONZERNE
Wir lehnen die Schaffung von Sonderklagerechten für InvestorInnen (ISDS/ICS) weiterhin ab. Die Korrekturen, die erst aufgrund des öffentlichen Drucks in das CETA-Abkommen aufgenommen wurden, reichen nicht aus, da nach wie vor die Sonderklagerechte für InvestorInnen Vorrang vor öffentlichen Interessen haben.
LEISTUNGEN DER DASEINSVORSORGE SIND EIN ALLGEMEINGUT UND HABEN NICHTS IN EINEM HANDELSABKOMMEN ZU SUCHEN
Wir verlangen eine unmissverständliche Herausnahme der Daseinsvorsorge wie Wasser, Energie, Verkehr, Sozialversicherung, Gesundheitswesen, kommunale Dienstleistungen, Bildung, soziale Dienstleistungen und Kultur aus allen Abkommensbestimmungen von CETA. Für alle anderen Dienstleistungen muss der Positivlistenansatz verfolgt werden.
EINKLAGBARE ILO-KERNARBEITSNORMEN
Kernarbeitsnormen und darüber hinausgehende Arbeitsstandards der ILO sind in Handelsabkommen verbindlich zu verankern. Verstöße sind mit Sanktionen zu belegen.
HOHE SOZIAL-, GESUNDHEITS- UND UMWELTSTANDARDS
Es ist zu befürchten, dass durch eine gegenseitige Anerkennung oder Harmonisierung wichtige Verbote oder Regelungen zum Schutz der Gesundheit, der ArbeitnehmerInnen oder der Lebensmittelsicherheit gelockert oder gar aufgehoben werden. Ausnahmen für sensible Bereiche sind nicht ersichtlich. Das für das europäische Modell maßgebliche Vorsorgeprinzip muss explizit verankert werden.
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