Ein Artikel der Falter Verlagsgesellschaft m.b.H.


Ein Artikel der Falter Verlagsgesellschaft m.b.H.
 

Die Spur des Geldes

Peter Weinzierl, Boss der Meinl-Bank, soll Millionen in die eigene Tasche gesteckt haben. Die Polizei und die Staats­anwalt­schaft wollen ihn ver­haften, das Justiz­ministerium bremst schon zum zweiten Mal. Warum? Einblicke in einen abenteuerlichen Wirtschafts­krimi aus Wien

von Florian Klenk | aus FALTER 50/14

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Es war eine große Runde von Staats­anwälten und Ministerial­beamten, die sich da am 16. Oktober im Justiz­ministerium zu einer Dienst­be­sprechung ein­ge­funden hatte. „Ein juristisches Hochamt mit Ave Maria“, wie ein hoher Staats­anwalt erklärte.

Die Teilnehmer: Christian Pilnacek, der mächtige Sektions­chef der Weisungs­abteilung. Er kam als Vertreter von ÖVP-Justiz­minister Wolfgang Brandstetter, im Schlepptau zwei Beamte seiner Weisungs­­sektion.

Aus der Oberstaatsanwaltschaft kam Eva Marek, die neue, von Brandstetter ein­ge­setzte Leiterin der Behörde. Sie wurde von zwei Ober­staats­anwälten begleitet.

Und dann waren da noch „die Wiener“: Maria-Luise Nittel, die Leiterin der Staats­anwalt­schaft Wien. Sie rückte mit drei Anklägern an: Michael Radaszitcs, der die Wirtschafts­ermittler anführt, Volkert Sackmann und Bernhard Löw. Die drei ermitteln gegen „Julius Meinl und andere“, es ist einer der größten Kriminal­fälle der Republik. Es geht um mut­maßlichen Anleger­betrug in Milliarden­höhe, es geht um den Ruf eines ganzen Bank­hauses.

Die Sache, die diese Runde in einer guten Stunde regeln wollte, war ein kleiner Aspekt des Monster­verfahrens, aber politisch heikel. „Die Wiener“ wollten einen mächtigen Mann ver­haften: Peter Weinzierl, die rechte Hand von Julius Meinl, Vor­stands-chef der Meinl-Bank. Er soll, so der Verdacht, Anleger um 16 Millionen Euro geschädigt und etwa die Hälfte davon selbst ein­ge­steckt haben. Das Justiz­ressort war dagegen.

Weinzierl ist ein gefürchteter Mann, vor allem in der Justiz. Der Bonvivant lenkt nicht nur gerne mal seine Piper-Propelle­rmaschine Seneca II zu seiner Yacht an die adriatische Küste, er dirigiert auch mediale Kampagnen gegen jene Staats­anwälte und Gut­achter, die gegen die Meinl-Bank ermitteln. Sie wollen ihn nämlich sitzen sehen.

Weinzierl hat die besten PR-Berater und Anwälte im Sold und vermutlich auch ein paar Detektive. Sie ver­zögern das Straf­verfahren gegen die Meinl-Bank mit Beschwerden, wo es nur geht. Und das macht die Ermittler, denen immer wieder Fehler unter­laufen, mürbe.

Manche warfen das Handtuch, manche stehen kurz davor. Staats­anwälte beklagen, dass viele wichtige Konten nicht und nicht ent­siegelt werden, weil die Gerichte den Rechts­schutz (zu) sehr hoch­halten würden.

Kürzlich übernahm Kommissar Zufall das Kommando: Aus­ge­rechnet auf dem beschlag­nahmten Speicher­chip eines Druckers der Meinl-Bank fanden Ermittler ver­steckte Dateien, mit denen anfangs niemand etwas an­zu­fangen wusste.

Datenforensiker werteten den Zahlenschatz für die Staats­anwaltschaft aus und staunten. Es waren brisante Spuren, sie führen zu Weinzierl – und zu jener Firma, der auch sein Propeller­flugzeug gehört. Sie heißt Speedprop, eine Brief­kasten­firma, benannt nach einem Propeller. Weinzierl will über dieses Vehikel nicht wirklich reden. Aber dazu später.

Der Bankmanager steckt in großer Not; wenn es nach der Polizei geht, sollte er in U-Haft. Weinzierl soll, so ver­mutet es zumindest die Soko Meinl in einem Zwischen­bericht vom 5. September 2014, ahnungs­lose An­leger der Meinl European Land „in mehreren unternehmens­rechtlich und wirt­schaftlich komplexen Schrit­ten“ übers Ohr gehaut haben, um sich und Dritte persönlich unrecht­mäßig zu bereichern. Er soll Vor­stände von Meinl European Land „über seine wahren Ab­sichten ge­täuscht“ und diesen Wert­papiere nahezu angedreht haben. Unsinn, sagt Weinzierl.

Mitte November berichtete der Aufdecker Kid Möchel im Kurier zum ersten Mal über diese Vor­würfe. Weinzierl tat den Fall als „Schwach­sinn“ ab und attackierte den ermittelnden „Bezirks­inspektor“, dem er schon zuvor Amts­missbrauch vor­ge­worfen hatte. Die ganze Geschichte sei doch nur einer längst zurück­gezogenen Zivil­klage geschädigter Anleger zu verdanken. Die Staats­anwalt­schaft mache sich wieder einmal wichtig.

Die Medien waren verwirrt, der Fall rutschte schnell aus den Schlag­zeilen. Zu schnell. Denn es ist, wenn es denn stimmt, ein atem­beraubender Plot, den die Soko Meinl da auf­ge­schrieben hat – und ver­mutlich ist der Fall auch ein Politikum und die erste wirkliche Belastungs­probe für Justiz­minister Brandstetter. Der Fall zeigt, wie schwierig die Ermittlungen im Fall Meinl sind. Das Ministerium, so das an­schwellende Murren der Staats­anwälte, behindere die Ankläger zunehmend: „Wir fragen uns langsam, warum.“

Die Spuren in diesem Krimi führen von Wien zu russischen „Beratern“ und ihren Brief­kasten­firmen auf den Kanal­inseln und dann wieder nach Moskau und ins türkische Bodrum, wo sich Weinzierl vor sechs Jahren zwei Luxus­villen gekauft hat.

Die Soko Meinl glaubt aufgrund der Daten­spuren, dass er die Villen mit dem mut­maßlich er­gaunerten Geld seiner Kund­schaft be­zahlte. Und sie wundern sich über­haupt, woher er so viel Geld hat: „Allein der Ankauf des Hauses bei Moskau im Jahr 2008 (um rund 2,6 Millionen Euro, Anm.) über­steigt das kumulierte Netto­einkommen des Peter Weinzierl von 2002 bis 2007.“ Er hatte in den letzten zehn Jahren pro Jahr „nur“ rund 260.000 Euro netto verdient, wie die be­schlagnahmte Gehalts­liste der Meinl-Bank zeigt. Zu wenig, um sich in kurzer Zeit gleich zwei große Villen zu kaufen, wie die Polizei glaubt. Unsinn, sagen Weinzierls Anwälte.

Weil ein großer Wirtschaftskrimi offenbar nicht ohne geheimnis­volle Frauen aus­kommt, vernehmen die Ermittler derzeit auch die ehemalige japanische Lebens­gefährtin Weinzierls. Sie ist eine Schlüssel­figur in dem Fall. Vielleicht sogar bald Kron­zeugin. Sie war bei Weinzierl privat gemeldet und hat in den neun Jahren, in denen sie in Wien lebte, laut Steuer­erklärung magere 25.678 Euro und 46 Cent ver­steuert.

Umso verwunderlicher war, was die Ermittler auf ihrem Konto entdeckten, für das Weinzierl zeichnungs­berechtigt war: 1,4 Millionen Euro. Woher das Geld stammt? „Berufliche Tätig­keit“, erklärte sie. Weinzierl sagt, es seien Anteile aus den Geschäften mit der MEL. Und noch ein Konto mit 1,4 Millionen Euro aus MEL-Deals hat man gefunden. Das Geld gehört Weinzierl, das streitet er auch gar nicht ab.

Villen, reich gewordene Lebensgefährtinnen, ein Privatjet, eine Yacht: Da lebten ein Bankmanager und seine Nächste auf großem Fuße, während seine Anleger ihr Hab und Gut verloren hatten. Wie kann das sein? Und wurden dafür wenigstens Steuern bezahlt?

Am Ende ihres Berichts macht die Soko Meinl das nächste Fass auf: „Augen­scheinlich scheint zu sein, dass relativ hohe Vermögens­zu­flüsse von MMag. Peter Weinzierl der öster­reichischen Finanz­verwaltung nicht gemeldet worden wären.“ Er hat jetzt auch die Finanz am Hals. „Ich habe alles ver­steuert“, sagt er.

Die Soko Meinl fürchtet „angesichts dieser und vieler anderer neuer Tat­sachen Flucht- und Verdunkelungs­gefahr“. So heißt es in einem Fest­nahme­ersuchen an die Staats­anwalt­schaft: „Es wird darauf hin­ge­wiesen, dass MMag. Peter Weinzierl per 20.12.2012 seinen öster­reichischen Wohn­sitz auf­ge­geben hat und nach Tschechien ver­zogen ist. Dass er zumindest in der Türkei und Russland über ent­sprechende Immobilien und somit über erhebliches Auslands­vermögen verfügt.“

Die Staatsanwaltschaft Wien wollte Haft. Doch es kam anders. Die Vorgesetzten in Oberstaats­anwalt­schaft und Justiz­ministerium bremsten bei der Dienst­besprechung am 16. Oktober. Oberstaats­anwalt­schaft und Justiz­ministerium nahmen den Haft­antrag „nicht zur Kenntnis“, wie ein Sitzungs­protokoll lakonisch vermerkt. Eine Weisung wurde bis dato aller­dings nicht er­teilt. Sektions­chef Pilnacek dachte offenbar, er habe alle Kollegen über­zeugt. Die Judikatur des OGH, so argumentierten er und die neue Leiterin der Ober­staats­anwalt­schaft, Eva Marek, sei eben bei Haft­gründen äußerst restriktiv. Weinzierl sei stets bei den Behörden erschienen, ihn festzusetzen sei übertrieben. Doch die Staats­anwälte fügten sich nicht. Die Wiener blieben in der Dienst­besprechung hart­näckig. Sie wollten sich nicht still unter­ordnen, sondern beharrten auf einer Weisung. Die werden sie nun bekommen.

Rechtswidrig ist all das nicht, aber auf­fällig ist, wie umsichtig die Rechte der Beschuldigten geschützt werden – zumindest, wenn man die Zurück­haltung mit der Härte in anderen prominenten Ver­fahren (Schlepper, Tierschützer, Josef S.) vergleicht.

Die Causa Meinl ist ein „clamoroser Fall“, ein berichts­pflichtiger Akt. „Clamor“ bedeutet Lärm. Wenn Beschuldigte Lärm schlagen können, muss sich die Staats­anwaltschaft jeden Schritt von oben ab­segnen lassen. Und das kann eben dauern.

Das führt zu der Situation, dass der Justiz­minister über seine Sektions­chefs in kon­kreten Ermittlungs­verfahren Entscheidungen zu treffen hat, die den Wünschen der ermittelnden Staatsanwälte widersprechen. Oder es kann dazu führen, dass Anklageentwürfe einfach monatelang liegenbleiben, weil sie wieder und wieder geprüft werden.

Seit genau einem Jahr etwa liegt die Anklage gegen Julius Meinl, Peter Weinzierl und einige andere Banker in einem anderen Faktum des Monster­prozesses vor: in der sogenannten Dividenden­affäre. Die Meinl-Bank soll mehr als 200 Millionen Euro an eine Meinl-Brief­kasten­firma aus­ge­schüttet haben, obwohl sie wusste, dass sie bald in große Nöte kommt.

Die Gläubiger der Bank seien dadurch geschädigt worden, so die Staats­anwalt­schaft. Die Bank dementiert. „Wir warten, warten, warten und würden den Fall gerne einem unab­hängigen Gericht vor­legen“, sagt ein Staats­anwalt, „wir fühlen uns langsam verarscht.“ Ein anderer sehr hoher Ankläger sagt: „Die haben da oben einfach den Laden nicht im Griff. Sie wollen alles wissen, aber sind nicht fähig, zügig zu arbeiten.“ Sektions­chef Pilnacek sagt, zurzeit liege die Anklage beim un­ab­hängigen Weisen­rat. In dem rechtlich komplexen Fall seien einige Fehler gemacht worden.

Man kann diese Umsicht des BMJ als kritische Fach­aufsicht anerkennen, als scharfe interne Kontrolle. Der Sektions­chef persönlich wacht darüber, dass die Staats­anwälte die Beschuldigten­rechte ein­halten und nicht später vom Obersten Gerichtshof zurück­gepfiffen werden. Aber ist das wirk­lich seine Auf­gabe? Wer mit Ministerial­beamten über die Causa Meinl redet, bekommt das Gefühl, dass sie ihren Anklägern nicht den Rücken stärken, sondern ihren Eifer zügeln wollen.

Man kann die Eingriffe aber auch als Misstrauen der Oberen gegen die Arbeit der Unteren sehen – das ist die Version, die immer mehr Ankläger ganz unten streuen. Sie beklagen sich nicht das erste Mal darüber, dass ihnen das Ministerium in die Parade fährt. Und sie rätseln, ob es wirklich nur mit den Beschuldigten­rechten zu tun hat.

Schon am frühen Abend des 30. November 2012 wollten die Staats­anwälte Markus Fussenegger und Bernhard Löw den Meinl-Bank-Chef Peter Weinzierl verhaften.

Polizisten der Soko Meinl meldeten der Justiz, von Weinzierl bei der Aufklärung der Dividenden­affäre regel­recht genarrt zu werden. Sie wollten Weinzierls Tablet be­schlag­­nehmen, auf dem sie heikle Daten ver­muteten. Zuerst beteuerte der Bank­chef, kein eigenes Gerät zu besitzen. Doch die Polizisten kannten die genaue Inventar­nummer des Geräts: „2813“. Nun erklärte Weinzierl, sein Gerät nicht zu finden.

Die Ermittler fürchteten spätestens jetzt, Weinzierl könnte wichtige Daten zer­stören, und be­antragten die U-Haft wegen Verdunkelungs­gefahr. Um genau 20:15 Uhr wurde der zuständige Rechts­schutz­richter, Christian Gneist, kontaktiert. Er bewilligte die Ver­haftung mit Unter­schrift und Stempel.

Der Haftbefehl wurde aber nie vollstreckt. Nur 15 Minuten nach der richterlichen Bewilligung funkte die Chefin der Staats­anwalt­schaft Wien das Vor­haben pflicht­gemäß an ihren Vor­gesetzten Werner Pleischl. Sie hielt es offenbar für problematisch und holte sich von ihrem Vor­gesetzten Rücken­deckung.

Nur fünf Minuten später, um 20:50 Uhr, wurde der Antrag auf U-Haft zurück­gezogen, denn er käme einer ver­botenen Beuge­haft zur Er­langung von belastender In­formation gleich. Die Anklage­behörde ver­hinderte eine Ver­haftung, die ein un­abhängiger Richter bereits genehmigt hatte. Recht­lich ist auch das – zum Schutz der Beschuldigten­rechte – zulässig. Aber die damals ermittelnden Staats­anwälte Fussenegger und Löw ärgerten sich über die mangelnde Rücken­deckung. Hinter den Kulissen tobte ein wilder Streit. Fussenegger legte einen Amts­vermerk an. Darin vermerkt er nicht nur das – ohne schriftliche Weisung erteilte – schnelle Njet von oben, sondern noch ein paar irritierende Details.

Auf dem Schreibtisch Weinzierls seien bei einer Razzia Fusseneggers die Dissertation und die Diplomarbeit von Meinl­-Gerichts­gutachter Martin Geyer gefunden worden, weiters ein „Leit­faden und Fahr­plan hin­sichtlich der Medien­arbeit im Zusammen­hang mit den dann in der Zeit­schrift News ver­öffentlichten Plagiats­vor­würfen gegenüber dem Sach­ver­ständigen“. Ein Plagiats­forscher erhob tatsächlich via News ein paar vage Vor­würfe gegen Geyer.

Die Meinl-Bank steuert also offenbar sehr persönliche Kampagnen gegen Gut­achter und Staats­anwälte. Die Meinl-Bank, so der Ver­dacht seitens der Staats­anwalt­schaft Wien, spannt sogar Detektive ein, um kritische Er­mittler privat zu be­spitzeln.

Und dann sind da noch ein paar ungeklärte Vorgänge straf­recht­licher Natur, die mit den Er­mittlungen gegen die Meinl-Bank in Zusammen­hang stehen könnten: Medien­berichten zufolge soll ein Gut­achter sogar am Telefon terrorisiert worden sein – von einer computer­ver­zerrten Stimme.

Eine Richterin in dem Fall, so berichtet es ein gut informierter Justiz­beamter, beklagte, dass sie in der Nacht am Telefon mit ent­setzlichem Kinder­geschrei („wie bei einem Missbrauch“) belästigt worden und auch be­schattet worden sei – ein Vorwurf, den die Presse­stelle nicht bestätigen will.

Ein anderer Gutachter, Thomas Havranek, entdeckte auf seinem Laptop national­sozialistisches Propaganda­material. Es wurde ihm über einen Hacker aus Bratislava auf den Rechner gespielt, wie Ermittler später heraus­fanden.

Der Falter hält ausdrücklich fest, dass es keinerlei Beweise dafür gibt, dass die Meinl-Bank hinter den Attacken steckt. Berichtens­wert sind diese Vor­kommnisse allemal.

Denn Staatsanwalt Markus Fussenegger, der als besonders hart­näckiger Ermittler galt, soll angesichts dieser Um­stände seine privaten Räume mit Sicher­heits­glas ver­sehen und seinen privaten Laptop bei der Polizei ab­gegeben haben, aus Angst vor Hacker­attacken. „Ihm wurde von Un­bekannten mit langen Objektiven auf­gelauert. Detektive er­mittelten in seinem Freundes­kreis und ließen ihn warnen, wie leicht man ihm Kinder­pornos auf den Rechner spielen könnte, bestätigt Staats­anwalts­sprecherin Nina Bussek.

Fusseneger bewarb sich später auf eine freie Stelle in Vorarlberg, wollte aber im Ausmaß von 20 Prozent seiner Arbeits­zeit in Wien am Meinl-Fall weiter­arbeiten. Die Polizisten schätzten seine harte Gang­art. Die Vor­gesetzten im Justiz­ressort nicht. Nach dem Streit um den ver­eitelten Haft­befehl im Herbst 2012 zog das Justiz­ressort Fussenegger vom Fall ab und er­setzte ihn durch einen jungen Kollegen. Laut Justiz­ressort erfolgte alles ein­ver­nehmlich. Aus Fusseneggers Umfeld ist zu hören: „Er hat sich nicht aus dem Staub gemacht“.

Das ist die Angstkulisse, vor der sich nun der Kriminal­fall des Peter Weinzierl abspielt.

Er beginnt im Jahr 2005 in Wien, vor der Wirtschafts­krise. Die Meinl-Bank hatte hunderte Millionen Euro für das Anlage­vehikel Meinl European Land (MEL) ein­gesammelt. Zehn­tausende An­leger, die auf den guten Ruf Meinls ver­trauten, steckten der MEL ihr Geld zu. Auch Omas und Opas lösten das Spar­buch auf und hofften auf schöne Renditen aus Ost­geschäften.

Die MEL gründet mit einer russischen Beratungs­gesellschaft ein Joint Venture namens MD Time Holding, um in Russland Einkaufs­zentren zu bauen. Die MD Time pachtete und kaufte dafür Äcker, um sie zu ent­wickeln.

55 Prozent an der MD Time hielt die MEL, 45 Prozent gehörten den Russen, die ihr Know-how bei­steuerten – und vielleicht auch wussten, an welche Ent­scheidungs­träger „Provisionen“ zu zahlen sind.

Jetzt kommt Meinl-Bank-Chef Peter Weinzierl ins Spiel, als Master­mind des Projekts. Er war mit um­fangreichen Voll­machten aus­ge­stattet, Medien feierten Meinls Aufbruch nach Osten – die Wirt­schafts­­kri­se stand noch bevor.

Weinzierl hatte noch eine Idee: Er ließ sogenannte Bezugs­scheine für die Gewinne der MD Time aus­teilen, sogenannte „Participation Shares“. Nur noch 45 Prozent des Gewinnes sollte die MEL ein­streifen, 45 Prozent die Russen – und zehn Prozent die Meinl-Bank-Filiale im karibischen Antigua. Die Meinl-Bank wollte mit­schneiden bei den Einkaufs­zentren. Die Polizei glaubt, Weinzierl habe hier den ersten Schritt für einen Millionen­betrug gelegt.

Weinzierls zweiter Schritt: Er plante, die zehn Prozent der Gewinn­scheine, die die Meinl-Bank um rund 800.000 Euro kaufte, wieder zu ver­kaufen – und zwar an die MEL.

Nun wird die Geschichte etwas kompliziert, denn Weinzierl ließ den Kauf­preis auf sehr spezielle Art er­mitteln. Ein renommierter Gut­achter schätzte die russischen Immobilien, die die MD Time hält, auf etwa 100 Millionen Euro. Aber ein Prokurist der Meinl-Bank setzte den Wert bei 200 Millionen an. Die Polizei glaubt heute, dass die Grund­stücke viel zu hoch bewertet worden seien.

Weinzierl setzte den dritten Schritt: Er forderte von der MEL für die zehn Gewinn­scheine, mit denen die Meinl-Bank auf zehn Prozent eines zukünftigen Gewinnes hoffen konnte, zehn Prozent des hochgejazzten Immobilien­werts, also 20 Millionen Euro.

Ein Betrug, wie die Polizei unterstellt. Die Immobilien seien erstens viel zu hoch bewertet worden, und die Gewinn­scheine dürfen zweitens nicht mit Eigen­tums­anteilen an den Immobilien gleich­gesetzt werden.

Die MEL zahlte dennoch, der verantwortliche Manager war ein Meinl-Ver­trauter. Später wurde nach­ver­handelt. Die Meinl-Bank bekam für ihre Gewinn­scheine „nur“ noch 16 Millionen Euro. Was angeblich niemand wusste: Weinzierl hatte jetzt auch privat einen guten Schnitt gemacht.

Wo floss das Geld nun hin? Die Hälfte der 16 Millionen ging an die Meinl-Bank im karibischen Antigua.

1,4 Millionen flossen an Weinzierl selbst. Den Rest hielt eine Brief­kasten­firma namens Speedprop, der Weinzierls kleines Propeller­flugzeug gehört. Von der Speedprop, so glauben die Polizisten anhand von Konten­daten und Mails, zog Weinzierl das Geld ab, um sich Privat­villen in Moskau und der Türkei zu kaufen, in Summe um rund 3,5 Millionen. Weitere 1,4 Millionen von der Speedprop bezog seine Ex­freundin aus Japan.

Was sagt Peter Weinzierl zu den Vorwürfen? Er empfängt den Falter im Besprechungs­raum der Meinl-Bank und übt sich in Transparenz. Er nimmt sich über zwei Stunden Zeit, beteuert seine Unschuld.

Nein, er hat die MEL nicht betrogen, Anleger und Manager seien korrekt informiert worden. Die Gewinn­scheine seien auch nicht zu über­höhten Preisen ver­kauft worden, der Wert habe eben dem Markt­wert ent­sprochen, wie spätere Auf­käufe von MD-Times-Anteilen durch die MEL-Nachfolge­firma Atrium zeigen würden. Und nein, er habe das Geld auch nicht in seine Tasche wandern lassen. Nur 1,4 Millionen Euro habe er persönlich verdient – eine Steuer­hinter­ziehung liege nicht vor, da nur ein „Ver­äußerungs­gewinn lukriert wurde, der nach der damaligen Gesetzes­lage steuer­frei war“, so Weinzierl. Über seine privaten Geschäft habe er die Meinl-Bank „selbst­verständlich informiert“, auch den Aufsichts­rat Julius Meinl.

Und der Rest des Geldes? Die Briefkasten­firma Speedprop gehöre nicht ihm, damit habe er nichts zu tun. Und die Villen in Moskau und der Türkei, die Speedprop be­zahlte? Das Geld an die Ex-Freundin? Das sei nur ein „Darlehen“ gewesen, das habe er 2009 beglichen. Weinzierl ließ dem Falter ent­sprechende Urkunden zeigen, die das beweisen sollen. Den Namen des Darlehens­gebers will Weinzierl nur den Behörden be­kannt geben.

Ist Weinzierl noch vertrauenswürdig genug, um eine Bank zu führen? Ein Bericht der Finanz­markt­auf­sicht vom 22. September 2014 be­zweifelt das. Sie droht der Meinl-Bank an, Peter Weinzierl die Zuverlässig­keit eines Bank­vorstands ab­zu­sprechen.

Die Meinl-Bank, so hält die FMA fest, habe 50 Prozent der Betriebs­erträge aus dem Bereich „Treuhand­geschäfte“ erwirtschaftet, ein legales Modell, das aber wegen der Missbrauchs­möglichkeit zur Geld­wäscherei als Hoch­risiko­geschäft ein­zu­stufen ist.

Katastrophal sei die interne Kontrolle der Bank. Sie bestehe „nur noch aus einer Mitarbeiterin“. Unter Weinzierls Ära habe die Bank „ihr Reputations­risiko nahezu voll­kommen realisiert“. 1500 Verfahren von Anlegern seien noch offen, die Gesamt­klagssumme betrage über 82 Millionen Euro.

Seit dem Jahr 2010, so die FMA, habe die Bank einen Verlust von 60 Millionen Euro hin­gelegt. Sogar im Jahr 2013, als die Bank zarte Gewinne an­kündigte, habe sie in Wahrheit 15 Millionen Verlust erwirtschaftet.

Die FMA folgert: „Die von der Meinl-Bank errechneten und gemeldeten Kenn­zahlen haben eigentlich gar keinen Bezug mehr zur wahren wirtschaftlichen Lage der Bank.“ Die FMA zweifelt daher an der „Zuverlässig­keit, Aufrichtig­keit und Unvor­eingenommen­heit“ der Bank­vorstände, die die Bank wie im Blindflug „auf Talfahrt“ bringen.

Als Pilot wird Peter Weinzierl wissen, wie eine Talfahrt enden kann. Er bewertet seinen Kurs aber optimistisch: „Die Meinl-Bank hält als Selbst­verständlichkeit fest, dass sowohl die finanzielle Gebarung des Unternehmens als auch die Integrität des Vor­stands und das Management der Bank außer Frage stehen.“

Saturday, December 20, 2014 3:49:00 PM
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